Stellungnahme zur geplanten Errichtung des Wasserkraftwerkes am Trothaer Wehr in Halle-Kröllwitz (VLH), Vorhabenträger: Prof. Schuh Securites GmbH – 2. Planänderung vom Mai 2021 gem. § 73 Abs. 8 VwVfG
Zu dem obengenannten Vorhaben wird folgendermaßen Stellung bezogen:
I. Technischer Erläuterungsbericht
Zu 1 Veranlassung, Aufgabenstellung, Historie
Zu 3.1 Liegenschaften
Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass eine Belebung des Bereichs des früheren Turbinenhauses der ehemaligen Papierfabrik Halle-Kröllwitz erfolgt und eine Nutzung zur Nutzung von Energie aus Wasser vorgesehen ist.
Jedoch erscheinen die Übernahme des gesamten Geländes der früheren Papierfabrik Halle-Kröllwitz, welche sich zum Teil in noch ungeklärten Eigentumsverhältnissen und teilweise offensichtlich im Eigentum der Energieversorgung Halle GmbH (EVH) befanden, durch die Prof. Schuh Securities GmbH (PSS) intransparent. Insbesondere da dieses Gebiet neben den beschriebenen Eigentumsverhältnissen einen sehr wichtigen siedlungs- und industriehistorischen Standort, von sehr hoher Bedeutung für Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutz sowie nicht zuletzt für das Stadt- und Landschaftsbild an der Nahtstelle der halleschen Stadtteile Kröllwitz und Trotha darstellt.
Neben der Tatsache, dass somit massiv alternative Eigentums- und Entwicklungsmöglichkeiten Behinderungen erfuhren, fehlten grundsätzlich Betrachtungen aus obengenannten Gesichtspunkten des Umwelt-, Natur-, Landschafts- und Denkmalschutzes. Zudem schreitet besorgniserregend eine massive Monopolisierung der Eigentumsverhältnisse in der Stadt Halle (Saale), insbesondere am Saaleufer von Halle-Kröllwitz statt. Hier gilt es ggf. Bieter- und Auswahlverfahren rechtlich sowie Verquickungen zwischen Einrichtungen und Gesellschaften der Stadt Halle (Saale) mit dem Vorhabenträger einer umfassenden Prüfung zu unterziehen.
Die Antragsunterlagen basieren zumeist auf nicht aktuellen Datengrundlagen. Die Jahre 2018 bis 2020, welche von massiver Niederschlagsarmut sowie Sommerhitze und somit von starker Wasserarmut geprägt waren, haben offensichtlich keinen Eingang in die Betrachtungen zu den Planungen gefunden.
Zu 2.3. Zweck des Vorhabens
Das gesamte Gelände bildet eine bauhistorisch gesehen eine Einheit und ist am Saaleufer punktgenau von dem alten Turbinenhaus geprägt. Einen Vor- und Anbau eines weiteren Gebäudes führt zur massiven Störung des Landschafts- und Stadtbildes. Stattdessen gilt es alle Technik im bisherigen Turbinenhaus einzubauen. Damit einhergehend ist die Wiederherstellung des beseitigten Geschosses sowie ggf. eine bauliche Ertüchtigung der vorhandenen Bausubstanz erforderlich. Insofern erscheint es auch sinnvoll zu sein zu prüfen, ob die Einrichtung von je einer Wohnung in den oberen Geschossen sinnvoll erscheint.
Zu 3.1.3 Dienstbarkeiten
Hier fehlen Angaben zur geplanten Zuwegung. In der Planänderungen vom November 2017 wies man noch eine Zuwegung über die Obere Papiermühlenstraße, während in der Abbildung 9 der Umweltverträglichkeitsprüfung die Untere Papiermühlenstraße ausgewiesen war. Hier gilt es Klarheit auch diesen Dokumenten herzustellen!
II. Umweltverträglichkeitsprüfung & Landschaftspflegerische Begleitplanung
Erfassungen der Fauna und Flora aus den Jahren 2002 bis 2004 besitzen keine Aktualität und bedürfen einer kompletten aktuelleren Erfassung bzw. Untersuchung. Eine aktuelle Einschätzung bzw. Abwägung der Ausgangssituation bzw. der möglicher Eingriffsfolgen ist so ungenau.
In der Abbildung 9 ist keine Zuwegung mehr über die Untere Papiermühlenstraße ausgewiesen, während man im Technischen Erläuterungsbericht u.a. unter Punkt 3.1.3. eine Zuwegung keine Angaben mehr enthalten sind. Hier gilt es auch diesen Dokumenten Klarheit herzustellen!
Zu 2.1.1. Biotoptypen
Auf Seite 11 hat man die Wildtulpe (Tulipa sylvestris) als gefährdet herausgestrichen, aber versäumt einzufügen, dass sie in der Bundesartenschutzverordnung in der Anlage 1 als besonders geschützte Art aufgeführt ist.
Zu 6 Eingriffsregelung/Vorschläge für weitere Vermeidungs-, Minderungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen & 3.1 Landschaftspflegerisches Leitbild
Das Naturschutzgebiet (NSG) „Forstwerder“, als Bestandteil des FFH-Gebietes „Nordspitze der Peißnitz und Forstwerder“, zeichnet sich besonders seit der Unterschutzstellung durch vermehrte Sukzessionsentwicklungen im Gesamtgebiet aus. Insbesondere die Absperrmaßnahmen im Nordteil der Saaleinsel befördern diese Situation.
Beeinträchtigungen einer Sukzessiventwicklung sind insbesondere im Südwestteil im Bereich des Wehres festzustellen. Hier sind als Störfaktoren das Angeln, Zelten, Betreten und Rasten zu sehen. Neben einer Wiederherstellung des generellen Angelverbotes, gilt es die Trampelpfade mit Totholz zu verbauen und verstärkte Kontrollen vorzunehmen.
Eine Aus- und Einbringung von Steckholz in und auf dem Forstwerder ist da wenig hilfreich, stört die sukzessive Entwicklung durch Betreten oder Befahren und Einbringen des Pflanzgutes. Sinnvoller erscheint das wiederholte Absammeln von Eicheln auf den Wegen und Streuung des Saatgutes in dem Gesamtgebiet.
Sinnvoller erscheint es zu sein im Umfeld der Wasserkraftanlage Räume der Sukzession zu sichern bzw. zu erhalten.
Ferner gilt es zu prüfen, inwieweit eine empfehlenswerte Anbringung von Nisthilfen für verschiedene Vogelarten (z.B. Mehlschwalbe, Rauchschwalbe, Mauersegler, Wasseramsel, Amsel, Stelzenarten, Meisenarten und Rotschwänzchenarten) sowie Unterschlupfmöglichkeiten für Fledermäusen und Insekten an bzw. in Gebäuden im Gelände der früheren Papierfabrik möglich ist.
Zu 3.1. Landschaftspflegerisches Leitbild
Zu 3.4 Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
Die Maßnahme A 1 ist unrealistisch, da das letzte Hochwasser 2013 zum massiven Absterben der Bestände des Schwarzen Holunders geführt haben und zudem bereits intensive Sukzessionen z.B. mit Stieleiche, Gemeiner Esche, Feldulme und Feldahorn eingesetzt haben. Mit den vorgesehenen Maßnahmen ist eine Zerstörung dieses Prozesses verbunden.
Darüber hinaus sei auf die nachfolgenden Inhalte der Stellungnahmen zum Anhörungsverfahren im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens für die geplante Errichtung des Wasserkraftwerkes am Trothaer Wehr in Halle-Kröllwitz vom 21.06.2010 und vom 30.12.2017 verwiesen:
Vom Grundsatz her wird eine umweltfreundliche Gestaltung des Geländes der ehemaligen Papierfabrik in Halle-Kröllwitz begrüßt. Dazu zählt auch die Nutzung des früheren Turbinenhauses für eine Wasserkraftanlage. Jedoch ergeben sich unseres Erachtens folgende Anregungen und – teilweise schwere – Bedenken:
1. Das Gelände der früheren Papierfabrik in Halle-Kröllwitz ist nunmehr in 4 Schutzgebieten eingebettet. Dazu zählen das Landschaftsschutzgebiet (LSG) „Mittleres Saaletal“, das flächenhafte Naturdenkmal (FND) „Ochsenberg“, der Geschützte Landschaftsbestandteil (GLB) „Park an der ehemaligen Papierfabrik“ sowie das FFH-Vorschlagsgebiet und Naturschutzgebiet (NSG) „Forstwerder“. Damit wird deutlich in welchem vielfältigen, aber auch sensiblen Bereichen das Vorhaben angesiedelt ist. Der größte Teil der Schutzgebiete ist eng mit dem Wasserregime der Saale verbunden. So ist im Pflege- und Entwicklungsplan NSG „Forstwerder“ von 1996 unter Punkt 4.3.1.2. Hydrologie (Seiten 23/24) sowie unter Punkt 7.5. Wasserwirtschaft (Seite 34) nicht umsonst auf die Auswirkung bisheriger wasserbaulicher Maßnahmen hingewiesen und das Unterbleiben weiterer wasserbaulicher Aktivitäten angemahnt worden. So sind mit einer weiteren Erhöhung des Wehres um 0,16 m mit einer weiteren Verschärfung des Wasserregimes zu rechnen. Bereits jetzt sorgt das gegenwärtige Wehr für einen Rückstau saaleaufwärts und eine weitere Verringerung des Wasserzuflusses im Bereich des ohnehin stark vom Wasser entfernten Forstwerders. Als entsprechender Eingriff ist auch das Schützbauwerk zum Mühlgraben zu werten. Zudem sei erwähnt, dass der Saaleabschnitt nach dem Wehr Rastplatz für Wintergäste (Wasservögel), Nahrungsraum von Wasseramsel und Eisvogel ist. Während der Mühlgraben z.B. dem Eisvogel als Brutgebiet dient. Aus den ebengenannten Gründen wird daher gefordert von einem Aufsatz auf dem Wehr und dem angedachten Schütz zum Mühlgraben Abstand zu nehmen. Abgesehen davon erscheint es unverständlich, dass es keine weiteren hydrologischen Untersuchungen dazu gibt.
2. Die mit den angedachten wasserbaulichen Maßnahmen an Wehr und Mühlgraben verbundenen Baumaßnahmen sind offenkundig mit massiven Beeinträchtigungen in den Uferbereichen und deren Vegetation verbunden. Eine Tatsache, welche ebenfalls zu Beeinträchtigungen obengenannter Avifauna führt. Derartige Eingriffe in einem NSG und FFH-Vorschlagsgebiet, was der Forstwerder ist sowie in einem nach § 37 Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 23.07.2004 sind absolut zu unterlassen und somit vollkommen auszuschließen.
3. Im Rahmen der Errichtung des Wasserkraftwerkes erscheint es sehr sinnvoll eine Gesamtkonzeption für das gesamte Gelände vorzulegen. Dabei gilt zum Einem die Vorschläge dreier Diplomarbeiten der Hochschule Burg Giebichenstein zu berücksichtigen. Eine diesbezügliche Stellungnahme des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) vom 03.02.2003 liegt als Anlage der Stellungnahme bei. Konkret zu den Planungsunterlagen seien jedoch noch folgende Anmerkungen erforderlich: Das Turbinenhaus hatte früher noch ein Stockwerk mehr. Dieses gilt es unbedingt wieder originalgetreu herzustellen. Entsprechende Einsprüche der unteren Denkmalbehörde der Stadt Halle sind nicht nachvollziehbar und keinesfalls akzeptabel. Ferner stellt das Pflaster der oberen Papiermühlenstraße einen standorttypischen Bezug zum Porphyrmassiv und FND Ochsenberg sowie zur Ortslage Kröllwitz dar. Eine Asphaltierung käme einer Zerstörung eines typischen Ortsbildes gleich. Abgesehen davon, dass eine Verbreiterung der Straße mit einem Eingriff in den zum FND gehörendem Nordwestrand des Hohlweges verbunden ist und somit in das Schutzgebiet eingreift. Eine Veränderung von Straßen- und Wegeverbindungen darf nicht zur Beschädigung oder Zerstörung bestehender Altbaumbestände führen. Außerdem gilt es im Gegenzug alte Wege bzw. Straßen zu entsiegeln. Auch sollte die Abwasserentsorgung einer möglichen größeren Nutzung des Geländes Rechnung tragen. Dabei ist zu prüfen, ob dann die Kapazität einer abflusslosen Grube ausreicht.
4. Die auf dem Forstwerder angedachten „Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen“ gilt es zu ändern. In Folge von Einstreuen von Eicheln in den letzten 3 Herbsten beginnt unter dem Schutz des Schwarzen Holunders ein schrittweises Voranschreiten der Entwicklung von Stieleichen sich abzuzeichnen. Gleiches trifft auch auf die Eschen zu. Holzungs- und Pflanzungsmaßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt würden diese Entwicklung nachhaltig stören. Dies war so 1996 nicht abzusehen. Auch die Gehölzentwicklung im Nordteil der Insel mit Harthölzern geht zügig voran. Statt Holzungsarbeiten im Holunderbereich vorzunehmen wäre es sinnvoller die Wegeabschnitte im Nordteil der Insel mit Totholz abzusperren. Dies würde die Rückzugsfunktion des Nordteiles und seine sukzessive Entwicklung befördern. Einen entsprechenden Vorschlag beinhaltet bereits der Punkt 6.1.2. Pflege- und Entwicklungsplan NSG „Forstwerder“ von 1996 (Seite 31). Ferner wird die Wiederaufnahme der Mahdarbeiten im mittleren Bereich der Insel empfohlen, welche ursprünglich bereits zu einer artenreicheren Veränderung des Bereiches führte. Siehe auch Punkt 6.1. besagten Planes auf Seite 29. Bei Bereitstellung entsprechender Geräte (z.B. Spaten, Sägen, Sensen) wäre der AHA bereit diese Arbeiten durchzuführen bzw. wieder aufzunehmen. Ansonsten sind keine Aktivitäten im Bereich des NSG Forstwerder vorzunehmen.
5. Auch die Wasseramsel befand sich seit ca. 3 Jahre als vermuteter Brutvogel im Bereich des alten Turbinenhauses. Das Sichten von Jungvögeln im Jahr 2004 ließ diese Vermutung zu. Nun gilt es für die Wasseramsel dauerhafte Brutgelegenheiten zu verschaffen. Der Rote-Liste-Vogel benötigt höhlenförmige Bruträume. Das gilt es unbedingt zu beachten.
Andreas Liste
Vorsitzender
Halle (Saale), den 12.07.2021
Anlage:
Stellungnahme zu den 3 vorliegenden Diplomarbeiten sowie eigene Vorschläge zur Gestaltung des Geländes der früheren Papierfabrik in Halle-Kröllwitz
Bearbeiter: Stefan Welte, Andreas Liste
I. Einführung mit kurzem geschichtlichen Abriss
Die Errichtung der früheren Kröllwitzer Papiermühle erfolgte 1714/16 am Westufer der Saale am Trothaer Wehr in Verantwortung des Besitzers dem Trothaer Erbmüller Zacharias Kermes. Der Bau besaß zwei Wassermühlen, sechs Geschirre mit zusammen 25 Stampflöchern, drei Bütten sowie sechs Pressen und umfasste ein zweistöckiges Hauptgebäude und ein einstöckiges Häuschen.
Da Kermes nichts von Papierherstellung verstand, stellte er den Sohn eines Colditzer Papiermüllers Johann Christian Keferstein ein.
Im Jahre 1725 kaufte August Hermann Francke die Mühle und verpachtete sie an Johann Christian Keferstein. In der Zeit von 1765 bis 1790 baute die Familie Keferstein einen florierenden Papierhandel auf. Ein großer Brand in der Nacht vom 21. zum 22.10.1823 richtete riesige Schäden an. Um den Wiederaufbau der Mühle absichern zu können schloss sich Keferstein mit Christian Gottlob Germar zusammen, was schließlich zur Gründung der Firma „Keferstein und Germar“ führte.
Auf Grundlage von weltweiten Sammeln von Erfahrungen zur Verbesserung der Papierqualität – vor allem aus Holland- begann Keferstein die Mühle zu modernisieren, wozu er 1840 auch eine Maschine aus England importierte. Als einer der ersten Papierproduzenten in Deutschland begannen die Eigentümer 1868 mit der Produktion des notwendigen Rohstoffes für holzfreies Papier, dem gebleichten Strohstoffes.
In Folge schlechter wirtschaftlicher und politischer Umstände erfolgte 1871 die Umwandlung in die „Actien-Papier-Fabrik“, was auch zum Übergang des Eigentums an große Bankhäuser führte.
Mit der Einführung des so genannten Sulfatverfahrens zur Herstellung des Strohzellstoffes unter Verwendung organischer Schwefelverbindungen im Jahre 1903, breitete sich ein übel riechender Gestank über der Stadt aus. Die Hallenser prägten dafür den Ausspruch: „es cröllwitzt“.
Später ersetzten die Eigentümer die Wasserräder durch Turbinen und errichteten eine Soda- und Zellulosefabrik. Bereits im Jahre 1924 produzierte die Papierfabrik täglich 45.000 kg Schreib- und Druckpapier. Nunmehr begann man in das Exportgeschäft einzusteigen. Deutschland entwickelte sich im Jahr 1927 zum zweitgrößten Papierproduzenten der Welt, wozu einem großen Teil die Papierfabrik in Kröllwitz beitrug.
Die umfangreichen Luftverschmutzungen, welche sich in Form eines unerträglichen Gestanks artikulierte, führten zu massiven und langwierigen Bürgerinitiativen und –protesten. Daraufhin ließ 1940 die faschistische Führung die Fabrik stilllegen und große Teile der Mühle sprengen.
Zu DDR-Zeiten nutzte der VEB Technische Dienst das Gelände. Heute existieren nur noch Ruinen und andere bauliche Reste. Ferner grenzt das Grundstück an das Landschaftsschutzgebiet (LSG) „Saaletal“, das flächenhafte Naturdenkmal (FND) „Ochsenberg“ und an den geschützten Landschaftsbestandteil (GLB) „Park an der Papiermühle Kröllwitz“. Auf der anderen Saaleseite befindet sich das Naturschutzgebiet „Forstwerder“ mit seinen Auenwaldrestbeständen.
Die historischen Gesichtspunkte sowie die ökologischen und landschaftlichen Rahmenbedingungen und Befindlichkeiten gilt es einer künftigen Nutzung zu Grunde zu legen. Alle ökonomischen und touristischen Konzepte sind somit mit den ebengenannten Eckpunkten in Einklang zu bringen. Dies erfordert eine breite, demokratische Einbeziehung aller Verantwortlichen und Interessenten.
II. Mögliche Gestaltungskonzepte für das Gelände
Anstrebenswert ist die Wiederherstellung der noch vorhandenen denkmalswürdigen Bausubstanz und maschinell-technischen Ausstattung. (z.B. das Turbinenhaus in seiner ursprünglichen Gestalt) möglichst in ökologischer und energiesparender Bauweise. Dächer könnten nach Bedarf und Möglichkeit begrünt bzw. im Interesse einer optimalen Ausnutzung der Lichtenergie mit Solaranlagen zur Strom- bzw. Warmwassergewinnung ausgestattet werden. Damit verbunden empfiehlt sich die öffentliche Zugänglichkeit und Besichtigungsmöglichkeiten auf mehrere Formen der umwelt-, natur- und landschaftsschonenden Nutzung von regenerativen Energiequellen zu orientieren. Dazu gehört auf jeden Fall das Turbinenhaus mit seiner Maschinenausstattung.
Neben der Beseitigung einzelner „neuerer“ Bauten wäre es denkbar geeignete Areale des Komplexes im „Verfallzustand“ zur Veranschaulichung der Vitalität der Natur im Prozess der natürlichen Vegetationssukzession und ihrer besonderen Artenzusammensetzung in Hinblick auf das Themengebiet „ was geschieht mit ehemals genutzten und bebauten Flächen, wenn die Eingriffe des Menschen aufhören“ zu erhalten und zu betreuen. Abgesehen davon, dass alte, ungenutzte Gebäudeteile idealen Lebens- und Rückzugsraum z.B. für Fledermäuse, Eulen und Insekten bieten können.
Wie auch in der Diplomarbeit „Arche Aqua“ dargelegt böte sich die Fläche nordwestlich vom Turbinenhaus als exzellenter Standort für Freiluftgastronomie an. Es ist ein sehr geeigneter Ort zum Einkehren und Verweilen mit vielseitigen und attraktiven Ausblick in die Saaleaue und nach Trotha. Die angrenzenden Gebäude gilt es als Gasträume umzubauen und zu nutzen. Die gewonnene Energie könnte direkt vor Ort gewonnen und bereitgestellt werden.
Umwelttechnische, faunistische und botanische Vorfelduntersuchungen des Fabrikgeländes sind auf jeden Fall dringend geboten.
III. Mögliche Ausstellungsthemen
Ein bedeutsamer Kernpunkt gilt es in der Errichtung einer Wasserkraftanlage zu sehen, welche neben der Energieerzeugungsfunktion als „gläsernes Wasserkraftwerk“ fungieren kann. Damit verbunden wären Informationen zur Wasserkraftnutzung an der Saale und ihren Nebengewässern sehr sinnvoll. Damit eng verbunden bietet sich zwingend beim Thema „Regenerative Energien“ ein Vergleich ökologischer und ökonomischer Vor- und Nachteile zu anderen Energieerzeugungsformen an.
Vorstellbar ist weiterhin eine Dokumentation der geschichtlichen Entwicklung des Fabrikgeländes, seines Nutzungswandels, der sozialen, ökonomischen und ökologischen Beziehung zum näheren Umfeld.
Hervorgehoben sollten auch Besonderheiten der Topografie, Geologie, Erdgeschichte, Fauna und Flora sowie der Archäologie.
Angebracht erscheint ferner eine intensive Auseinandersetzung zur Problematik des Umgangs mit industriellen Altlasten und zum Beispiel Aufzeigen möglicher Lösungswege anhand konkreter Beispiele vor Ort.
IV. Anmerkungen zu den vorliegenden 3 Diplomarbeiten
1. Diplomarbeit „Arche Aqua“ von Jörg Schwulst
Konzept Arche Aqua ist als Idee von verschiedenen thematischen Schwerpunkt auf dem Fabrikgelände gut.
Konzept Turbinenhaus „Gläsernes Wasserkraftwerk“ erscheint als Veranschaulichung der Funktionsweise an dieser Stelle sehr sinnvoll.
Dagegen sorgt „Geophysikalischer Wasserkreislauf“ für eine Überfrachtung und ist somit fehl am Platz. Glasdach und Aufzug in gläserner Röhre beeinträchtigt stark in der vorgeschlagenen Form die denkmalgerechte und historische Wiederherstellung des Gebäudes.
2. Diplomarbeit „Gestalterische Konzeption für den Zugang zu einem Zentrum für regenerative Energien und beispielhafte Umsetzung“ von Ralph Nitsche
Die vorgestellten Gestaltungselemente sind interessant, aber stehen in keinem zwingenden thematischen Zusammenhang mit dem alten Fabrikgelände. Die Kosten für deren Herstellung, Installation und Wartung könnten im Verhältnis zum Nutzen sehr hoch sein.
3. Diplomarbeit „Wärme, Kraft und Licht“
Die „Energiekaskade“ im Turbinenhaus als Beispiel für die Umwandlung der Energiezustände ist anschaulich. Jedoch stellt sich die Frage, ob sich die Konstruktion in der Größenordnung umsetzen lässt sowie mit dem Betrieb der Turbinen und für deren Betrieb notwendigen Anlagen vereinbar ist.
V. Zusammenfassung
Der gegenwärtige Zustand der früheren Papierfabrik in Halle-Kröllwitz ist nicht zufrieden stellend, bietet aber andrerseits Raum und Ort für eine vielseitige und zukunftsfähige Gestaltung unter verschiedenen Gesichtspunkten. Eine Kopplung ökologischer und landschaftlicher, historischer, ökonomischer und touristischer Aspekte ist hier bestens möglich. Dies erfordert jedoch neben den vorliegenden Gestaltungsvorschlägen umwelttechnische, faunistische und botanische Untersuchungen, um keine nachhaltigen Schädigungen im Gelände und im Umfeld hervorzurufen, sondern besser und anstrebenswerter eine ökologische und landschaftliche Bereicherung entstehen zu lassen.
Dieses Vorhaben erfordert eine breite demokratische und konzeptionelle Einbindung aller verantwortlichen und interessierten Seiten. Der gemeinnützige und ehrenamtliche Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. bietet im Rahmen seiner Möglichkeiten auf jeden Fall seine Mitarbeit an.
Andreas Liste
Vorsitzender
Halle (Saale), den 03.02.2003