Mit Datum vom 16. 08. 2022 veröffentlichte der Bürgermeister der Gemeinde Wiedemar im Landkreis Nordsachsen Steve Ganzer „Informationen zum Industrievorsorgegebiet Wiedemar (IVG)“
https://www.wiedemar.de/news/1/757499/nachrichten/757499.html
Dabei warb er für die Umwandlung von Landwirtschaftsfläche in ein „Industrievorsorgegebiet Wiedemar“. Als eine Hauptbegründung nannte der Bürgermeister folgendes, Zitat:
„Im Frühjahr 2021 erreichte die Gemeinde Wiedemar eine Investorenanfrage über die Wirtschaftsförderung des Bundes (GTAI) und des Freistaates Sachsen (WFS)…. Zu einem späteren Zeitpunkt stellte sich heraus, dass es sich um den Halbleiterhersteller (Chiphersteller) Intel handelt.“, Zitat Ende
Nunmehr hat eine Website der Zukunftsregion Wiedemar c/o Landerwerb IVG Wiedemar GmbH mit Sitz in Delitzsch kräftig nachgelegt und offensichtlich keine Kosten und Mühe gescheut, um insbesondere der Bevölkerung das Industrievorsorgegebiet Wiedemar (IVG) schmackhaft zu gestalten.
https://zukunftsregion-wiedemar.de
https://zukunftsregion-wiedemar.de/informationen-und-teilhabe
Bekanntlich beabsichtigt jedoch Intel in den Gemarkungen der Landeshauptstadt Magdeburg, der Stadt Wanzleben-Börde und der Gemeinde Sülzetal eine sehr wertvolle Agrarfläche mit Bodenwertzahlen bis zu 90 und mehr im Umfang von einst 450,00 ha und nunmehr 1.127,00 ha in Anspruch zu nehmen.
Nunmehr, Zitat: „Das Ziel einer möglichen Ansiedlung ist es, dass ein bis zwei Großinvestoren für diese Fläche gewonnen werden können.“, Zitat Ende
Im Vorentwurf der „Änderung des Flächennutzungsplans im Bereich zwischen den Ortsteilen Pohritzsch, Zschernitz und der Bundesstraße B 183a des Verwaltungsverbandes Wiedemar Gemeinde Wiedemar“ vom 31.05.2022 ist auf Seite 11, unter Punkt Raumnutzung folgendes zu der Agrarfläche vermerkt, Zitat:
„Die Landwirtschaft ist mit einem Anteil von ca. zwei Dritteln in Bezug auf die Gesamtfläche des Regionalplans die Hauptnutzungsform in der Region Leipzig-Westsachsen und ist damit ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Der südöstliche Teil des Plangebietes ist im Regionalplan als Vorranggebiet Landwirtschaft, der nordwestliche Teil als Vorbehaltsgebiet Landwirtschaft festgelegt. Als landesweit bedeutsam werden durch ihre hohe natürliche Ertragsfähigkeit Gebiete mit Ackerzahlen größer als 50 eingestuft. Das Planungsgebiet verfügt über Bodenwertzahlen überwiegend >70. Gebiete mit Böden, die eine hohe natürliche Ertragsfähigkeit aufweisen, sind zudem von besonderer Bedeutung für den Bodenschutz.“, Zitat Ende
Weiter führt man auf Seite 25 dazu aus, Zitat:
„Es handelt sich um terrestrische, anthropogene Böden (Kolluvisole) aus Schluff über tiefem Skelett führendem Lehm. Die Bodentypen sind Pseudogley-Parabraunerden und kleinflächig Schwarzerden, die eine sehr hohe natürliche Bodenfruchtbarkeit aufweisen. Das Wasserspeichervermögen des Bodens ist hoch, die Filter- und Pufferfunktion für Schadstoffe ist mittel bis hoch (Quelle: iDA Sachsen).
Das Vorhabensgebiet liegt in der Delitzscher und Brehnaer Platte und ist ausgewähltes Vorranggebiet Landwirtschaft (Quelle: Regionalplan Leipzig-Westsachsen 2021 – Karte „Großräumig übergreifender Biotopverbund“)“, Zitat Ende
Auf Seite 29 beinhaltet die „Abbildung 5: FITNAH-Modellergebnis Nächtliche Lufttemperatur um 4 Uhr. Quelle: Deutschlandrechnung“ die Feststellung, dass diese zwischen 13,6 und 14 Grad Celsius liegen.
Einige Zeilen davor ist folgende Aussage enthalten, Zitat: „Das Plangebiet ist von landwirtschaftlich genutzten Flächen geprägt, die grundsätzlich Kaltluftentstehungsgebiete darstellen.“
Der Entwurf des Umweltberichtes vom 31.05.2023 zum Bebauungsplan Industrievorsorgegebiet Wiedemar Gemeinde Wiedemar verdeutlicht klar und deutlich die massive Bedrohung von Umwelt, Natur und Landschaften.
https://buergerbeteiligung.sachsen.de/portal/download/datei/3168627_0/00b_B-Plan+Begr%C3%BCndung.pdf
Nach Ansicht des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – sind das bereits alles Gründe diese Agrarflächen unverbaut zu belassen und nachhaltig landwirtschaftlich zu nutzen.
Hier derartig massiv Flächen zu verbauen und zu versiegeln, verbietet sich nicht nur auf Grund des Wertes des Bodens sowie der damit verbundenen Bedeutung für eine arten- und strukturreiche Agrarlandschaft. Zudem droht die Zunahme eines massiven Ziel- und Quellverkehrs von Motorisiertem Verkehr aller Art. Andersartige Beteuerungen erscheinen wenig bis nicht glaubwürdig, da in Produkt- und Warenaustausch garantiert auf der Straße stattfindet.
An der Stelle bekräftigt der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – erneut, dass es hier Agrarflächen zu entwickeln gilt, welche von einer sehr großen Vielfalt von Ackerkulturen mit einhergehender Fruchtfolge sowie Feldgehölzstreifen und -inseln geprägt sind. Dazu benötigt es nicht der Bebauung einer wertvollen Ackerfläche mit Grünstreifen und -standorten. Selbst die Umverlagerung von Ackerboden an andere Standorte – welche auch immer – klingt grotesk. Dabei muss jedem ernsthaft mit Bodenkunde befasster Person klar sein, dass das nicht funktionieren kann. Natur gewachsener Boden ist u.a. mit über sehr langen Zeiträumen entstandenen und einem ständigen Wandel unterliegenden Grund- und Schichtwassersystem, damit verbundenem Luft- und Wasserhaushalt sowie Bodenleben verbunden. So etwas als Maßnahme anzubieten kann nur darauf beruhen, dass man die Schützenden von Lebens- und Wohnqualität, Umwelt, Natur, Landschaft und Agrargebiet – trotz aller zahlreichen Bekundungen – nicht ernstnimmt.Bereits die Reduzierung der Vielfalt der Ackerbaukulturen von einst 25,00 verschiedenen Ackerkulturen auf etwa 6 – 7 Ackerkulturen haben zu erheblichen Verlusten an Arten- und Strukturvielfalt, Humusneubildung somit Verarmung des Landschaftsbildes geführt. Gut strukturierter, humusreicher Boden dient als Lebensraum eines regen Bodenlebens sowie zudem des Gasaustausches, der Speicherung von Wasser und Nährstoffen. Verbau, falscher Einsatz von Landtechnik, monokultureller Anbau von Humuszehrern und eng damit verbundener übermäßiger Einsatz von mineralischem Dünger, Pestiziden und Gülle sowie massive Eingriffe in die Bodenstruktur sorgen für eine Schädigung bis hin zum Totalverlust seiner dringend notwendigen, vielfältigen Funktionen zur Ernährung der Bevölkerung und Versorgung mit weiter zu verarbeitenden Rohstoffen sowie in Landschaft, Natur und Umwelt. Zudem erfolgt eine massive Schädigung bzw. Verluste von Schicht- und Grundwasser.
Daran ändert auch nichts die Verkleinerung der Fläche von vormals 484,00 ha, laut Aufstellungsbeschluss, auf aktuell 410,00 ha.
In dem Zusammenhang sei erwähnt, dass das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) zur aktuellen täglichen Neuausweisung von Siedlungs- und Verkehrsflächen in der Bundesrepublik Deutschland folgendes angibt, Zitat: „Täglich werden in Deutschland rund 55 Hektar als Siedlungsflächen und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Dies entspricht einer Flächenneuinanspruchnahme – kurz Flächenverbrauch – von circa 78 Fußballfeldern.“, Zitat Ende
Ferner ist folgendes ausgeführt, Zitat:
„Ausweislich der amtlichen Flächenstatistik des Bundes wurden in Deutschland im Vierjahresmittel 2019 bis 2022 jeden Tag rund 52 Hektar als Siedlungsflächen und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Dies entspricht einer Fläche von circa 72 Fußballfeldern täglich. Damit nahm der Flächenverbrauch nach einem Anstieg im Vorjahreszeitraum (55 Hektar) nun wieder geringfügig ab. 37 Hektar der Flächenneuinanspruchnahme entfielen auf den Bereich Wohnungsbau, Industrie und Gewerbe sowie öffentliche Einrichtungen, 12 Hektar auf Sport-, Freizeit- und Erholungs- sowie Friedhofsflächen. Insgesamt machten Flächen für Siedlung und Verkehr in Deutschland im Jahr 2022 14,5 Prozent, das heißt etwa ein Siebtel der Gesamtfläche aus.
Die Siedlungs- und Verkehrsfläche darf nicht mit „versiegelter Fläche“ gleichgesetzt werden, da sie auch unversiegelte Frei- und Grünflächen enthält. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes sind etwa 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsfläche versiegelt.“, Zitat Ende
Ferner ist folgendes ausgeführt, Zitat:
„In der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, den täglichen Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland von heute rund 52 Hektar pro Tag bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag zu reduzieren, um bis zum Jahr 2050 einen Flächenverbrauch von netto Null im Sinne einer Flächenkreislaufwirtschaft zu erreichen. Dabei geht es auch um den Schutz und die Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen.“, Zitat Ende
Das ergibt im Jahr einen Flächenverbrauch im Umfang von 18.980,00 ha. Im Vergleich dazu hat die Stadt Wanzleben-Börde eine Fläche von 18.150,00 ha = 188,15 km².
Neben der örtlichen ökologisch orientierten Entwicklungsmöglichkeiten besteht ein umfassendes Potential als Biotop- und Grünverbundraum zwischen den Bergbaufolgeseen, der Dübener Heide sowie der Fluss- und Auenlandschaften von Mulde, Lober, Leine, Gienickenbach sowie Weißer Elster/Luppe und Zörbiger Strengbach bis hin zu dem von Elbe und Schwarzer Elster.
Die bisherige Planungsphase ließ leider nicht erkennen, dass insbesondere die Gemeinde Wiedemar, aber auch der Freistaat Sachsen und der Landkreis Nordsachsen das Problem eines weiteren Flächenverbrauchs von wertvollem Ackerboden richtig erkannt haben und von der Planung einer massiven Zerstörung und Verbau von offenen und ökologisch entwicklungsfähigen Agrarlandschaften und somit für eine weitere Zerstörung von Umwelt, Natur und Landschaft Abstand nehmen. Dabei ist allgemein bekannt, dass angesichts der mit dem Raubbau an Umwelt, Natur und Landschaften verbundenen negativen Entwicklungen wie Klimawandel, Artenschwund, Minderung von Lebensqualität und Verlust an Agrarflächen für Nahrungs-, Futter und Rohstoffproduktion sowie Verlust von Arten- und Strukturvielfalt eine sofortige unwiderrufliche Umkehr in der Planungs-, Bau-, Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik dringend geboten ist.
Darüber hinaus grenzt das Planungsgebiet an sechs verschiedene, aber eng miteinander verknüpfte Schutzgebiete an, Zitat aus
Daraus ergibt sich für den Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – unweigerlich eine Einbettung in ein umfassendes Biotop- und Grünverbundsystem. Eine arten- und strukturreiche Agrarlandschaft kann hier einen sehr wichtigen Beitrag leisten. Das ist der Gemeinde Wiedemar sehr wohl vom Grundsatz her bekannt:
https://www.wiedemar.de/seite/508991/naturschutzgebiet-biotope.html
Daher gilt es die Planungen zum weiteren Flächenverbrauch für ein geplantes „Industrievorsorgegebiet Wiedemar (IVG)“ sofort und unwiderruflich zu beenden, um nicht weiter landwirtschaftliche Nutzfläche zu verbauen und somit Boden seiner natürlichen Funktion als Puffer, Wasser- und Luftspeicher sowie Lebensraum für zahlreiche Organismen zu berauben. Nachhaltiger Umgang mit Umwelt, Natur und Landschaft sieht anders aus.
In dem Zusammenhang ist der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – recht erfreut, dass sich im Rahmen des gemäß § 24 der Sächsischen Gemeindeordnung am 01.09.2024 durchgeführten Bürgerentscheides von 3284,00 gültigen Stimmen, 2143,00 Stimmen, also 65,25 % der abgegebenen, gültigen Stimmen, dafür ausgesprochen haben, dass die Gemeinde Wiedemar das Bebauungsplanverfahren ‚Industrievorsorgegebiet Wiedemar‘ für den Bereich zwischen den Ortslagen Pohritzsch und Zschernitz im Westen und Storkwitz im Osten nicht fortführt.
https://www.wiedemar.de/seite/722889/b%C3%BCrgerentscheid-ivg-2024.html
Im § 24 Absatz 4 der Sächsischen Gemeindeordnung ist dazu folgendes geregelt, Zitat: „(4) 1Der Bürgerentscheid steht einem Beschluss des Gemeinderats gleich. 2Er kann innerhalb von drei Jahren nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden.“, Zitat Ende
https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/2754-Saechsische-Gemeindeordnung#p24
Der Erfolg, welcher hauptsächlich dem unermüdlichen und engagierten Handeln und Agieren der Bürgerinitiative “Kein Industriegebiet zwischen Wiedemar – Brehna – Delitzsch” zu verdanken ist, darf nicht zum Nachlassen der Wachsamkeit führen, da innerhalb von drei Jahren ein neuer Bürgerentscheid zur Abänderung des Votums führen kann.
Landleben statt Industriegebiet
Für den Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – ist es wichtig aus vergangenen und gegenwärtigen Fehlern des Raubbaus an Umwelt, Natur und Landschaften zu lernen. Das bedeutet ein vollkommenes und grundsätzliches Umsteuern, besonders wenn man bundesweit mehrere Milliarden Euro Steuermittel aufwenden möchte.
Daher hält es der AHA für dringend geboten mit der Bevölkerung sowie ihren Vereinen und Initiativen in den gedanklichen Austausch zu treten bzw. zu bleiben, um Vorhaben zu entwickeln und letztendlich umzusetzen, welche ökologisch, ökonomisch, kulturell und sozial tragbar sind sowie nicht zuletzt auf einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz beruhen.
Nach Ansicht des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – erfordert das ein verantwortungsvolles und nachhaltiges Handeln auf allen Ebenen.
Der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – ist im Rahmen seiner ehrenamtlichen und gemeinnützigen Möglichkeiten bereit daran mitzuwirken und bietet sich für Interessierte als Plattform einer umfassenden Mitarbeit an.
Wer daran Interesse hat, wende sich bitte sich an folgende zentrale Anschrift:
Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – AHA
Große Klausstraße 11
06108 Halle (Saale)
Tel.: 0345 – 2002746
E-Mail AHA: aha_halle@yahoo.de
Andreas Liste
Vorsitzender
Halle (Saale), den 04.09.2024
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