I. Grundsätzliches

Bekanntlich bilden Fluss- und Auenlandschaften eine wichtige Einheit. Beide stehen in einer engen und sehr vielfältigen Wechselbeziehung zueinander. Die Auenlandschaften dienen den Flüssen als Ausbreitungsraum für Hochwasser und versorgen sie somit mit Wasser, Sedimenten und z.B. als Schwemmgut herangetragenes neues genetisches Material aus Tieren und Pflanzen. Im Umkehrschluss fungieren die Auenlandschaften als „Reinigungskraft“ für die Flüsse, indem beispielsweise Auenwälder das abgebremste Wasser von Sedimenten „befreien“ sowie Schwemmgut „herauskämmt“.
Diese langzeitige Wechselbeziehung hat somit eine der arten- und strukturreichsten Naturlandschaften der gemäßigten Zonen hervorgebracht, welche zahlreichen Tier- und Pflanzenarten Lebens- und Rückzugsraum bietet. Darüber hinaus trägt diese intensive Wechselbeziehung zur Verbesserung des Landschafts- und Ortsbildes urbaner Gebiete bei und sorgt als Kalt- und Frischluftentstehungsgebiet und -korridor für eine nachhaltige Verbesserung des Klimas.
Dazu gehört aber auch, dass naturnahe bis natürliche Gewässerstrukturen erhalten und geschützt bleiben und dort wo sie verlorengegangen sind, wieder möglich sein können. Dazu gehören neben der Prüfung des Wiederanschlusses von Altverläufen die Beseitigung von Sohl- und Uferbefestigungen, die Freihaltung von Neuverbauungen und die Beseitigung von bestehenden Verbauungen.
Auf dieser Basis bezieht der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – folgendermaßen Stellung:

II. Zu den Verfahrensunterlagen

Das Planungsgebiet befindet sich im 2.260,00 ha großen FFH-Gebiet „Werra bis Treffurt mit Zuflüssen“. Daraus leitet sich u.a. der Artikel 6 Absatz 2 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ab, welcher ein Verschlechterungsverbot beinhaltet. Detaillierte Ausführungen sind in dem nachfolgenden „Managementplan (Fachbeitrag Offenland) für das FFH-Gebiet 111 „Werra bis Treffurt mit Zuflüssen“ (DE 5328-305) und für Teile der SPA 18, 19, 26 und 27 Abschlussbericht“ enthalten.
Daraus sei folgendes aus dem Punkt „Allgemeine Angaben und Kurzcharakteristik“, Seite 466 zitiert:

Allgemeine Angaben und Kurzcharakteristik:
Das 2.260 ha große FFH-Gebiet Werra bis Treffurt mit Zuflüssen“ liegt im westlichen und südwestlichen Thüringen und umfasst den Flusslauf der Werra vom Quellbereich mit Übergangsmooren bis zur Landesgrenze im Werrabergland mit mehreren Nebengewässern sowie Ausschnitten angrenzender wertvoller Lebensraumkomplexe, wie z.B. Auslaugungsseen, Binnensalzstellen und Mähwiesen in der Werraaue. Das Gebiet repräsentiert ein ausgedehntes Fließgewässersystem mit flutender Wasserpflanzenvegetation und der hieran angepassten Fauna, u.a. mit für Thüringen bedeutsamen Vorkommen der Groppe (Cottus gobio) und des Bachneunauges (Lampetra planeri), daneben weitere Gewässer-, Moor-, Grünland- und Waldlebensräume.

Die Fließstrecke der Werra innerhalb des FFH-Gebietes beträgt ca. 191 km. Die wichtigsten in das Gebiet einbezogenen Nebenflüsse sind Schleuse, Biber, Herpf, Katz, Rosabach und Schwarzbach. Zusammen mit den Nebengewässern beinhaltet das FFH-Gebiet eine Fließstrecke von ca. 348 km.
Das FFH-Gebiet erstreckt sich über fünf Landkreise und die Kreisfreie Stadt Eisenach. Hierbei hat der Wartburgkreis den größten Flächenanteil, gefolgt von den Landkreisen Schmalkalden-Meiningen und Hildburghausen. Mit jeweils ca. 20 ha bzw. 0,9 % haben die Landkreise Sonneberg und Ilmkreis sowie die Kreisfreie Stadt Eisenach nur geringe Anteile am Gebiet. Das FFH-Gebiet verteilt sich auf 61 Gemeinden.“, Zitat Ende

Im Bezug zur „Gebietsentwicklung“, Seiten 470/471 seien folgende Punkte zitiert:

Unabhängig von der bestehenden Kulisse an FFH-Lebensraumtypen und Habitatflächen von Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie oder von Vogelarten nach Anhang I der Vogelschutzrichtlinie sind im Gebiet weitere Maßnahmen geeignet, den Zustand der
Fließgewässer und der Auenfunktionen einschließlich Hochwasserschutz langfristig weiter zu verbessern. Hierzu zählen u.a. die Initiierung eigendynamischer Entwicklungsprozesse, durch welche eine Laufverlängerung ohne Modellierungsmaßnahmen herbeigeführt werden kann, die Laufverlängerung und Renaturierung stark begradigter Abschnitte der Werra und ihrer Zuflüsse, die (temporäre) Anbindung von Altarmen oder auch die Mehrung von Auwald an der Werra und ihren Zuflüssen.“, Zitat Ende

Auf Seite 82 sind unter Punkt „Überschwemmungsgebiet „Werra I“ folgende Angaben enthalten, Zitat:
Die Thüringer Verordnung zur Feststellung des Überschwemmungsgebietes der Werra im Wartburgkreis und in der Stadt Eisenach trat am 20.12.2002 (ThürStAnz Nr. 2/2003, S. 23-24) in Kraft. Letztmalig geändert wurde es per Verordnung am 10.06.2009 (StAnz Nr. 333/2009, S. 1396). Das Gebiet erstreckt sich zwischen der Landesgrenze bei Dankmarshausen und der Einmündung der Hörsel. Dabei werden die Gemarkungen Berka an der Werra, Dankmarshausen, Dippach, Göringen, Gerstungen, Herda, Hörschel, Lauchröden, Neuenhof, Neustädt, Pferdsdorf, Sallmannshausen, Untersuhl und Wartha berührt. Das Überschwemmungsgebiet umfasst circa 1684 ha, wovon 439 ha innerhalb des FFH-Gebietes liegen.“, Zitat Ende

Weiter ist auf den Seiten 83/84 folgendes zum Umgang mit dem Hochwasser vermerkt, Zitat:
Folgende Bewirtschaftungsregelungen müssen eingehalten werden:
Laut § 4 der Verordnung gelten im Überschwemmungsgebiet neben den Bestimmungen des § 31 b Abs. 4 WHG und des § 81 ThürWG folgende Regelungen:
1. Es gilt die gute fachliche Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung.
2. Der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ist nach dem Abtau der Schneedecke nach den Vorschriften der Düngeverordnung (DüV) vom 10. Januar 2006 (BGBl. I S. 33) für das Überschwemmungsgebiet Werra I bzw. vom 27.Februar 2007 (BGBl. I S. 221) für die Überschwemmungsgebiete Werra V, VI und VII in der jeweils geltenden Fassung und den im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln festgelegten Abstandsregelungen zu Oberflächengewässern erlaubt. Ungeachtet der in der Düngeverordnung genannten Fristen ist das Aufbringen von Düngemitteln nur bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres erlaubt. Der Abstand von drei Metern (§ 3 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 DüV) ist in jedem Fall einzuhalten.
3. Im Uferbereich nach § 78 Abs. 2 Satz 1 ThürWG müssen Ackerflächen mindestens in der Zeit vom 15. November eines jeden Jahres bis zum 15. Februar des Folgejahres mit ausgesäten Kulturpflanzen bewachsen sein.
4. Außerhalb von Siedlungsflächen dürfen nicht auftriebssichere Gegenstände und abschwemmbare Stoffe sowie Materialien, die den Hochwasserabfluss behindern können (z. B. Erde, Holz, Sand, Steine u. ä.), nicht ohne ausreichende Sicherung gelagert oder abgelagert werden.
Folgende Verbote gelten für sämtliche Überschwemmungsgebiete:
Zur Vermeidung einer weiteren Zersiedelung der Auen dürfen in Überschwemmungsgebieten keine neuen Baugebiete ausgewiesen werden (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 WHG). Die Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen im Überschwemmungsgebiet ist untersagt (§ 78 Abs. 1 Nr. 2 WHG). Für die Genehmigung von Ausnahmen sind die Oberen und Unteren Wasserbehörden zuständig. Des Weiteren sind gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 – 9 WHG verboten:
– die Errichtung von Mauern, Wällen oder ähnlichen Anlagen quer zur Fließrichtung es Wassers bei Überschwemmungen,
– das Aufbringen und Ablagern von wassergefährdenden Stoffen auf dem Boden, es sei denn die Stoffe dürfen im Rahmen einer ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft eingesetzt werden,
– die nicht nur kurzfristige Ablagerung von Gegenständen, die den Wasserabfluss behindern können oder die fortgeschwemmt werden können,
– das Erhöhen oder Vertiefen der Erdoberfläche,
– das Anlegen von Baum- und Strauchpflanzungen, soweit diese den Zielen des vorsorgenden Hochwasserschutzes entgegenstehen,
– die Umwandlung von Grün- in Ackerland und
– die Umwandlung von Auwald in eine andere Nutzungsart.“, Zitat Ende
Darüber hinaus sei zu bedenken, dass das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) zur aktuellen täglichen Neuausweisung von Siedlungs- und Verkehrsflächen in der Bundesrepublik Deutschland folgendes angibt, Zitat: „Täglich werden in Deutschland rund 55 Hektar als Siedlungsflächen und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Dies entspricht einer Flächenneuinanspruchnahme – kurz Flächenverbrauch – von circa 78 Fußballfeldern.“, Zitat Ende
Ferner ist folgendes ausgeführt, Zitat:
Bis zum Jahr 2030 will die Bundesregierung den Flächenverbrauch auf unter 30 Hektar pro Tag verringern. Diese gegenüber der Nachhaltigkeitsstrategie von 2002 verschärfte Festlegung wurde vom Bundeskabinett bereits im Januar 2017 in der „Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – Neuauflage 2016“ festgelegt. Seit dem Klimaschutzplan vom November 2016, der die Leitplanken für ein grundsätzliches Umsteuern in Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Weg zu einem treibhausgasneutralen Deutschland beschreibt, strebt die Bundesregierung bis 2050 sogar das Flächenverbrauchsziel Netto-Null (Flächenkreislaufwirtschaft) an, womit sie eine Zielsetzung der Europäischen Kommission aufgegriffen hatte. Diese Zielsetzung hat während der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 Eingang in die Erwägungen für eine EU-Biodiversitätsstrategie gefunden und wurde im März 2021 nun auch in die weiterentwickelte Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen.“, Zitat Ende

https://www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit-digitalisierung/nachhaltigkeit/strategie-und-umsetzung/flaechenverbrauch-worum-geht-es

Das ergibt im Jahr einen Flächenverbrauch im Umfang von 20.075 ha. Im Vergleich dazu hat die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt Magdeburg eine Fläche von 20.103 ha = 201,03 km².

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1233769/umfrage/flaeche-der-grossstaedte-deutschlands/

Nach Auffassung des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA -, ist bereits diese Anzahl, angesichts des fortgeschrittenen Flächenverbrauches, viel zu hoch.

Daraus und aus der Tatsache, dass die geplanten Baumaßnahmen nicht notwendig erscheinen, ergeben sich für den Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – folgende Schlussfolgerungen und Vorschläge für den Standort Festplatz Göringen:

► Es sind alle Maßnahmen zu unterlassen, welche zu weiteren Flächenversiegelungen und Ufer- und Sohlverbauungen an Werra und Kentelsgraben führen könnten.
► Rückbau nicht benötigter Flächenversiegelungen am Rand- und im Kernbereich
► Entwicklung der bisherigen Rasenflächen zu einer unregelmäßig und partiell gemähten Wiese, um verbesserte Nahrungs-, Lebens- und Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen zu ermöglichen sowie das Landschafts- und Ortsbild zu verbessern.
► Zulassung von sukzessiver Gehölzentwicklung am Ufer der Werra, um verbesserte Nahrungs-, Lebens- und Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen zu ermöglichen.

III. Schlussbemerkungen

Die nunmehr 299,6 km lange Werra mit ihrem 5.497,00 km² großem Einzugsgebiet ist ein länderübergreifender Fluss, welcher den Freistaat Thüringen sowie die Länder Hessen und Niedersachsen durchfließt, ab der niedersächsischen Stadt Hann. Münden mit der 220,70 km langen Fulda die Weser und letztendlich in die Nordsee mündet, besitzt zusammen mit ihren Nebengewässern ein sehr bedeutsames Potenzial als Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sowie eines länderübergreifenden Biotop- und Grünverbundes. Dazu muss der Fluss unverbaut und barrierefrei sein. Ferner gilt es aber auch Auenflächen nicht nur von Verbauungen und Versiegelungen freizuhalten, sondern auch umfassend zurückzubauen. Das trifft ebenfalls für Ufer- und Sohlbefestigungen sowie künstlich eingebaute Schwellen zu.
Um jedoch eine gesamträumliche Betrachtung zum Schutz, zur Entwicklung und zur Betreuung der Saale zu erhalten, bedarf es einer länderübergreifenden wissenschaftlich fundierten Schutz- und Entwicklungskonzeption, welche u.a. diese Gesichtspunkte betrachten muss. Daraus können sich auch Möglichkeiten zur Nutzung der Wasserkraft an vorhandenen Anlagen ableiten.
Der ehrenamtliche und gemeinnützige Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. bietet gerne seine Erfahrungen und fachlichen Kenntnisse an.
Der Kontakt lautet:

Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – AHA

Große Klausstraße 11

06108 Halle (Saale)

E-Mail: aha_halle@yahoo.de

Andreas Liste

Vorsitzender

Halle (Saale), den 06.08.2023