Stellungnahme zum Antrag Wasserkraftanlage Unterpreilipp an der Saale – Neubau Horizontalrechen am Hauptkraftwerk
Neubau Fischabstieg am Hauptkraftwerk
Neubau Fischaufstieg am Hauptkraftwerk

I. Grundsätzliches

Bekanntlich bilden Fluss- und Auenlandschaften eine wichtige Einheit. Beide stehen in einer engen und sehr vielfältigen Wechselbeziehung zueinander. Die Auenlandschaften dienen den Flüssen als Ausbreitungsraum für Hochwasser und versorgen sie somit mit Wasser, Sedimenten und z.B. als Schwemmgut herangetragenes neues genetisches Material aus Tieren und Pflanzen. Im Umkehrschluss fungieren die Auenlandschaften als „Reinigungskraft“ für die Flüsse, indem beispielsweise Auenwälder das abgebremste Wasser von Sedimenten „befreien“ sowie Schwemmgut „herauskämmt“.
Diese langzeitige Wechselbeziehung hat somit eine der arten- und strukturreichsten Naturlandschaften der gemäßigten Zonen hervorgebracht, welche zahlreichen Tier- und Pflanzenarten Lebens- und Rückzugsraum bietet. Darüber hinaus trägt diese intensive Wechselbeziehung zur Verbesserung des Landschafts- und Ortsbildes urbaner Gebiete bei und sorgt als Kalt- und Frischluftentstehungsgebiet und -korridor für eine nachhaltige Verbesserung des Klimas.
Dazu gehört aber auch, dass naturnahe bis natürliche Gewässerstrukturen erhalten und geschützt bleiben und dort wo sie verlorengegangen sind, wieder möglich sein können. Dazu gehören neben der Prüfung des Wiederanschlusses von Altverläufen die Beseitigung von Sohl- und Uferbefestigungen, die Freihaltung von Neuverbauungen und die Beseitigung von bestehenden Verbauungen.
Auf dieser Basis bezieht der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – folgendermaßen Stellung:

II. Zu den Verfahrensunterlagen

Vom Grundsatz ist die Nutzung von vorhandenen Mühlenanlagen zur Umwandlung der Wasserkraft in Elektroenergie zu begrüßen. Jedoch gilt dies daran zu messen, welche Eingriffe und Maßnahmen damit verbunden sind.
So gilt es zu prüfen, inwieweit Zement zur Anwendung kommt. So sind Klimabilanzen, bei Maßnahmen wie unter Punkt 4.1.3 Neubau Fischschleuse beschrieben, nur vollständig, wenn die Klimabilanz von verwendetem Zement Eingang findet. So gibt die Hüthig GmbH unter „Klimabilanz der Zementindustrie“ folgendes an, Zitat:
Die Zementherstellung ist, je nach Rechenweg und einbezogenen Produktionsprozessen, verantwortlich für 4 bis 8 % der weltweiten CO2-Emissionen.“, Zitat Ende.

https://www.chemietechnik.de/energie-utilities/klimabilanz-der-zementindustrie-372.html

Das Umweltbundesamt weist ebenfalls auf die Klimabelastung durch Zement hin.

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/dokumente/factsheet_zementindustrie.pdf

Nach Ansicht des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – gilt es die Fischtreppe in das vorhandene Wehr einzubauen, um weitere Bodenversiegelungen, wie unter Punkt 7.3 Auswirkungen Boden und Fläche dargelegt, zu vermeiden.
Es ist dabei zu bedenken, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) zur aktuellen täglichen Neuausweisung von Siedlungs- und Verkehrsflächen in der Bundesrepublik Deutschland folgendes angibt, Zitat: „Täglich werden in Deutschland rund 55 Hektar als Siedlungsflächen und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Dies entspricht einer Flächenneuinanspruchnahme – kurz Flächenverbrauch – von circa 78 Fußballfeldern.“, Zitat Ende
Ferner ist folgendes ausgeführt, Zitat:
Bis zum Jahr 2030 will die Bundesregierung den Flächenverbrauch auf unter 30 Hektar pro Tag verringern. Diese gegenüber der Nachhaltigkeitsstrategie von 2002 verschärfte Festlegung wurde vom Bundeskabinett bereits im Januar 2017 in der „Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – Neuauflage 2016“ festgelegt. Seit dem Klimaschutzplan vom November 2016, der die Leitplanken für ein grundsätzliches Umsteuern in Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Weg zu einem treibhausgasneutralen Deutschland beschreibt, strebt die Bundesregierung bis 2050 sogar das Flächenverbrauchsziel Netto-Null (Flächenkreislaufwirtschaft) an, womit sie eine Zielsetzung der Europäischen Kommission aufgegriffen hatte. Diese Zielsetzung hat während der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 Eingang in die Erwägungen für eine EU-Biodiversitätsstrategie gefunden und wurde im März 2021 nun auch in die weiterentwickelte Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen.“, Zitat Ende

https://www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit-digitalisierung/nachhaltigkeit/strategie-und-umsetzung/flaechenverbrauch-worum-geht-es

Das ergibt im Jahr einen Flächenverbrauch im Umfang von 20.075 ha. Im Vergleich dazu hat die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt Magdeburg eine Fläche von 20.103 ha = 201,03 km².

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1233769/umfrage/flaeche-der-grossstaedte-deutschlands/

Nach Auffassung des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA -, ist bereits diese Anzahl, angesichts des fortgeschrittenen Flächenverbrauches, viel zu hoch.

Zu 4 Beschreibung des Vorhabens
Zu 7.4 Auswirkungen Fauna und Flora

Eingriffe in das Flusssystem der Saale und ihrer Nebengewässer sind eher darauf zu orientieren Ufer- und Sohlbefestigungen ersatzlos zu beseitigen. Ferner gilt es bauliche Eingriffe auf bereits bebaute Bereiche zu beschränken. Das vermeidet nicht nur neue Flächenverbräuche, sondern sichert den Erhalt von Gehölz- und Krautbeständen.
Der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – darauf hin, dass es offensichtlich wenig wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zu Einschwimmsperren gibt.

https://www.ask-eu.de/Artikel/30786/Zur-Effektivit%C3%A4t-von-Einschwimmsperren-aus-Steinriegeln.htm

https://www.wasserbau.tu-darmstadt.de/forschung_wb/fo_forschungsprojekte/einschwimmsperren.de.jsp

Daher gilt es vorhandene Untersuchungen heranzuziehen, um den Sinn und Zweck derartiger Anlagen besser zu prüfen.
Zudem hält der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) die mehrfach angegebene Rechenbreite im Umfang von 10,00 mm erneut zu überprüfen.
Laut der Forum Fischschutz & Fischabstieg herausgegebenen Publikation „Wann ist ein Rechen ein Fischschutzrechen?“ sind folgende Betrachtungen dringend geboten, Zitat:
» Fischschutzrechen mit lichtem Rechenstababstand von 20 mm (siehe Fact Sheet 02) sind für Adulte zahlreicher Arten, sowie für den überwiegenden Teil der 0 + und 1+Fische passierbar.
» Fischschutzrechen mit lichtem Rechenstababstand von 10 mm sind für Adulte zahlreicher potamodromer Arten und den Lachs ab dem 1. Lebensjahr nicht passierbar. Dennoch ist ein Schutz des überwiegenden Teils der 1+und 0 + Fische nicht gegeben (siehe Fact Sheet 02).
» Wollte man alle adulten Fische schützen, die in der Infografik „Passierbarkeit von 20- und 10 mm-Rechen“ enthalten sind, müsste der lichte Rechenstababstand 4,7 mm unterschreiten (Bemessungsart Dreistachliger Stichling*). Zum Schutz aller Fische ab dem 2. Lebensjahr (> 1+) wären Abstände unter 3,1 mm (Bemessungsart Stint*) und für alle ab dem 1. Lebensjahr (> 0 +) unter 1,2 mm (Bemessungsart Stint*) erforderlich.“

Zitat Ende

https://forum-fischschutz.de/sites/default/files/FSFFS_05_04.pdf

Die unter Punkt 7.4.2 Schutzgut Pflanzen geschilderten Eingriffe wie die geplante Fällung von „ca. 6 Bäume mit Stammdurchmesser = ca. 30 cm“ lässt sich vermeiden, wenn ein Teil des Wehres eine Umgestaltung zur Sohlgleite erfährt. Dies gilt es zu prüfen, um vorgenannte Eingriffe vermeiden zu können.

III. Schlussbemerkungen

Die nunmehr 413,00 km lange Saale mit ihrem 24.167,00 km² großem Einzugsgebiet ist ein länderübergreifender Fluss, welcher die Freistaaten Bayern und Thüringen sowie das Land Sachsen-Anhalt durchfließt und letztendlich in die Elbe mündet, besitzt zusammen mit ihren Nebengewässern ein sehr bedeutsames Potenzial als Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sowie eines länderübergreifenden Biotop- und Grünverbundes. Dazu muss der Fluss in der Tat barrierefrei sein. Ferner gilt es aber auch Auenflächen nicht nur von Verbauungen und Versiegelungen freizuhalten, sondern auch umfassend zurückzubauen. Das trifft ebenfalls für Ufer- und Sohlbefestigungen sowie künstlich eingebaute Schwellen zu.
Um jedoch eine gesamträumliche Betrachtung zum Schutz, zur Entwicklung und zur Betreuung der Saale zu erhalten, bedarf es einer länderübergreifenden wissenschaftlich fundierten Schutz- und Entwicklungskonzeption, welche u.a. diese Gesichtspunkte betrachten muss. Daraus können sich auch Möglichkeiten zur Nutzung der Wasserkraft an vorhandenen Anlagen ableiten.

Der ehrenamtliche und gemeinnützige Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. bietet gerne seine Erfahrungen und fachlichen Kenntnisse an.

Der Kontakt lautet:

Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – AHA
Große Klausstraße 11

06108 Halle (Saale)

E-Mail: aha_halle@yahoo.de

Andreas Liste
Vorsitzender

Halle (Saale), den 31.07.2023