Wimmelburg – Blick auf die Neue Hütte, April 2019

Zum besseren Verständnis der Vorgänge

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Abriss der Neuen Hütte durch die Kommune Wimmelburg ist in vielfacher Hinsicht ein Skandal, der bundesweites Aufsehen erregt. Von der besonderen Bedeutung dieses technischen Denkmals aus der Zeit Goethes, über das Verhalten der zuständigen Behörden bis zur groben Missachtung eines seriösen Kaufangebotes UND der In-Aussicht-Stellung von Fördermitteln des Landes Sachsen-Anhalt in Höhe von 3 Mio. Euro haben wir es mit einem außerordentlichem Fall zu tun.

Zum besseren Verständnis der sich über 10 Jahre hinziehenden Vorgänge rund um den aktuell immer noch stattfindenen Abriss möchten wir Ihnen Dokumente des LVA von Sachsen-Anhalt, Referat Denkmalpflege, von 2008 bis 2011 zur Kenntnis bringen (im Anhang), die in Sachen Abriss des Montandenkmals Neue Hütte Wimmelburg (Januar 2021) folgendes dokumentieren:

  1. Die Obere Denkmalbehörde, in Gestalt der Referentin Susanne Nolte, hat dem vom Bürgermeister der Gemeinde Wimmelburg, Andreas Zinke, Architekt und Mitglied der Architektenkammern in Thüringen und Sachsen-Anhalt, beantragten Abriss bereits 2008 zugestimmt. Unter Auflagen, unter anderem der Dokumentation des Denkmals.
  2. Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Sachsen-Anhalt ist offenbar NICHT, wie z.Bsp. in Thüringen, die „obere Denkmalschutzbehörde“. Die „obere Denkmalschutzbehörde“ ist ein Referat im Landesverwaltungsamt. Dieses Referat prüft und entscheidet über Abrissanträge. Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Sachsen-Anhalt archiviert die Dokumentationen der abgerissenen Denkmäler, die es von der „obere Denkmalschutzbehörde“ zugesandt bekommt.
  3. Der Bescheid dokumentiert ausführlich die denkmalpflegerische Bedeutung der Neuen Hütte, um zu dem Schluss zu kommen (Hervorhebungen in rot im Dokument von uns): „Die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der unveränderten Erhaltung des Kulturdenkmals (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 DenkmSchG LSA) kann von Ihnen nicht geltend gemacht werden.“
    ZUGLEICH bestätigt der Bescheid, dass Absperrmaßnahmen des Geländes der Gemeinde nicht zumutbar sind: „Aufgrund notwendiger Absperrmaßnahmen entstehen derzeit ohne Nutzen Personal- und Sachkosten, die den haushaltswirtschaftlichen Grundsätzen widersprechen.“ Deshalb sei dem Antrag zuzustimmen.
  4. Die Untersuchungen und Dokumentationen der TU Bergbauakademie Freiberg von 2010 sind verwendet worden, um diesen Abriss zu ermöglichen. Man darf vermuten, dass sie dafür in Auftrag gegeben wurden.
  5. Die Frage, ob und wie sich die Gemeinde Wimmelburg um öffentliche Fördermittel zum Erhalt des Denkmals Neue Hütte Wimmelburg bemüht hatte, wurde nicht gestellt.
  6. Ein alternatives Gutachten neben jenem eines lokalen Architekturbüros von 2001, das ausschließlich durch die Planung von Einfamilienhäusern in Erscheinung tritt, wurde nicht beauftragt.
    All das ist seit fast 10 Jahren amtlich.
  7. Am 20.12.2020, 19 Jahre später, bestätigte das Planungsbüro Heinrich Bögemann aus Halle/Saale, ein seit vielen Jahren mit der Sanierung im Bestand befasstes Unternehmen, dass eine Einsturzgefahr der im Sommer 2020 noch stehenden Gebäude aufgrund der soliden Bausubstanz nicht gegeben ist und auch absehbar nicht eintreten wird. Auch dieses Dokument liegt uns vor.
    Seit dem Sommer 2020 gibt es eine erneuerte Abrissgenehmigung, die uns leider nicht vorliegt.

Auf eine Anfrage verweigerte das LVA die Akteneinsicht. Wie wir nun erfuhren, und wie am Fortgang der Abrissarbeiten auch zu sehen ist, wurde die in der ersten Genehmigung verlangte Abdeckung des Ofenhauses durch eine Betondecke (und damit zumindest dessen Erhalt) auch noch aufgehoben. Grundlage für diese Erneuerung der Abrissgutachten war ein Gutachten, das die Undurchführbarkeit dieser Abdeckungsmaßnahme belegen will, und das das Ingenieurbüro Helk, Schulz und Dr. Prabel Ingenieurgesellschaft mbH (HSP) erstellt hat. Diese Gesellschaft gehört zum Verbund der Planungsbüros unter der HELK ARCHITEKTEN UND INGENIEURE GMBH, MELLINGEN, als deren Geschäftsführer Andreas Zinke, der Bürgermeister der Gemeinde Wimelburg,  seit 2010 eingetragen ist.

Wir sind der Ansicht, dass der Fall Neue Hütte Wimmelburg Anlass sein sollte, Richtlinien, Zuständigkeiten und Kommunikationswege zu überdenken, um zumindest zukünftig ähnliche Prozesse rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan Kobel

www.kulturfabriken.eu

Initiative Industriekultur
unterstützt durch die Thüringer Staatskanzlei
Baudenkmal Milchhof Arnstadt GmbH
Pfarrhof 1

D-99310 Arnstadt

info@jankobel.de
www.milchhof-arnstadt.de
+49 171 120 85 00

Abbruchgenehmigung Neue Hütte

Fotos vom Abruch der Neuen Hütte dokumentiert von Werner Zabel:

Fotos von 29.12.2020

Fotos vom 04.01.2021

Fotos vom 30.01.2021

Fotos vom 06.02.2021