Das Kurzgutachten geht von einem Tourismus aus, welcher insbesondere in den letzten zwanzig Jahren sehr stark negativ in Umwelt, Natur und Landschaft eingegriffen hat. Ein derartiger Tourismus darf keinesfalls die Zukunft prägen.

Im konkreten Fall bildet das großräumige Gebiet der Saale-Elster-Luppe-Aue zwischen den Städten Halle (Saale), Merseburg, Leuna und Leipzig einen arten- und strukturreichen Landschafts- und Naturraum, welcher von Saale, Weißer Elster und Luppe geprägt ist und diesen zudem größtenteils als Retentionsfläche dient. Die daraus resultierenden länderübegreifenden Landschafts- und Naturschutzgebiete sowie Naturdenkmale besitzen zudem noch europäischen Schutzstatus nach der Fauna-Habitat-Richtlinie.

Industrielle Nutzung, Bergbau, Siedlungs- und Straßenbau sowie Verbauungen und Begradigungen von Saale, Weißer Elster und Luppe haben umfassende Schäden an der Umwelt sowie in Natur und Landschaft hinterlassen. Erste Überlegungen dahingehend, Schäden rückgängig zu machen, können in der Wiedereinbindung von abgeschnittenen Flussmäandern, Deichrückverlegungen, Flächenentsiegelungen und extensiver, ökologisch orientierter Landwirtschaft liegen. Genauso ist es mit dem Tourismus zu sehen. Dieser muss sich in Natur und Landschaft einfügen. Es darf keinesfalls eine weitere Anpassung von Natur und Landschaft an den Tourismus geben.

Darüber hinaus weist der genannte Raum umfassende archäologische und historische Besonderheiten auf.

Wie jede andere Region hat auch der Raum zwischen den Städten Halle (Saale), Merseburg, Leuna und Leipzig spezielle Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten aufzuweisen, welche gekoppelt mit der vielfältigen Natur und Landschaft einen umfassenden, einzigartigen Anziehungspunkt für Touristen darstellt. Darauf gilt es auch das regionale und überregionale Tourismuskonzept abzustimmen.

Das Vorhaben den Elster-Saale-Kanal auf seinen restlichen 7,55 km zu vollenden, möge für Schifffahrtsinteressenten recht nachvollziehbar, aber auf Grund der noch immer nicht konkret bezifferten Kosten und der zu erwartenden massiven Eingriffen in Natur und Landschaft, für die Öffentlichkeit mehr als umstritten zu betrachten sein. Um das Vorhaben noch schmackhafter zu gestalten, soll nun offenbar ein angedachtes Schiffshebewerk herhalten, um angenommene 500.000 Besucher im Jahr = 1.369,86 Besucher am Tag heranzulocken.

Schon die Zahlen erscheinen in jeglicher Hinsicht beängstigend. Entweder es treten tatsächlich die Besucherbedingungen ein oder sie werden vollständig verfehlt. Ersteres hätte garantiert ebenfalls logistisch-baulich Veränderungen im näheren sowie weiteren Umfeld zur Folge und letzteres wäre ein Ausdruck vollständiger Fehlinvestition. Immerhin zielt das Gutachten auf eine vorrangige Finanzierung aus öffentlichen Mitteln ab. Die Gutachter haben fahrlässigerweise, neben den eigentlichen Baumaßnahmen für Kanal und Schiffshebewerk, daher folgende logistische Aspekte unberücksichtigt lassen, welche man z.B. in dem Atemzug ggf. ebenfalls gleich realisiert haben möchte:

 

  • Neubau bzw. Ausbau von Straßenanbindungen und Parkplätzen zu Kanal und Schiffshebewerk
  • Ggf. Entstehung von Begleitbauten und –einrichtungen wie z.B. Imbissbuden und Aussichtspunkten
  • Errichtung weiterer großdimensionierter Steganlagen entlang der Saale ab Kreypau flussauf und -abwärts. Die ersten katastrophalen Auswirkungen des Programms „Das Blaue Band“ sind u.a. mit den riesigen, illegal gebauten Steganlagen in Brachwitz und Salzmünde zu besichtigen. Damit einhergehende Verbauungen in den betreffenden Uferbereichen zerstören nicht nur Landschafts- und Naturräume, sondern senken auch die landschaftliche Attraktivität und schränken Hochwasserräume ein.
  • Missbrauch als Begründung zur Errichtung eines Saaleseitenkanals im Mündungsbereich der Saale in die Elbe.

 

Dabei ist noch nicht einmal aufgeführt, welche landschaftlichen und räumlichen Veränderungen mit dem Bau des Kanals und des Schiffshebewerkes verbunden sein könnten. Dazu gehören z.B. Erdbewegungen, Schaffung entsprechender Straßen- und Wegeverbindungen.

Somit fehlt dem Kurzgutachten eindeutig die Umweltverträglichkeitskomponente. Die Auswirkungen von Beeinträchtigungen auf Umwelt, Natur und Landschaft wären zudem nicht auf den Kanalbereich beschränkt, sondern wie bereits erwähnt, für die Saale flussaufwärts -bis mindestens Naumburg- und flussabwärts bis zur Mündung in die Elbe zu erwarten. Das entzieht sich dann vollständig dem Wirkungskreis und Einflussbereich des Kurzgutachtens und des Fördervereins Saale-Elster-Kanal e.V.

Eine derartige Herangehensweise ist inakzeptabel, betrachtet nur einen räumlichen und inhaltlichen Teil und vernachlässigt die garantiert eintretenden Folgeschäden und damit verbundenen Folgekosten, welche übrigens auch durch eine verstärkte Motorisierung der Fließgewässer zu erwarten sind.

Der Grundfehler ist eben Flüsse nur als Wasserstraße sowie Tourismus als umwelt-, natur- und landschaftsdominierendes Element und dabei nur kurzsichtige Einnahme- und Gewinnsituationen zu betrachten. Zum Beispiel die Aufforderung zur Wiederbelebung des Programms „Das Blaue Band“ bestätigen diese Befürchtungen.

In dem Zusammenhang bleibt unberücksichtigt, dass womöglich Millionenbeträge in die öffentlichen Kassen fließen könnten, aber die Folgekosten für die nachhaltigen Schäden an Umwelt, Natur und Landschaft, ebenso die Unterhaltung der Vekehrsanbindungen, auch aus diesen Gewinnen zu finanzieren sind. Insofern ist es zutiefst unverantwortlich nur geschätzte finanzielle Gewinnsituationen aufzuzeigen, aber die mit dem Vorhaben Elster-Saale-Kanal und Schiffshebewerk verbundenen Folgekostensituationen vollständig unberücksichtigt zu lassen.