I. Grundsätzliches
Bekanntlich gehören Fluss- und Auenlandschaften zu den arten- und strukturreichsten Landschaften und Naturräumen der gemäßigten Zonen. Sie bieten punktuell und flächendeckend Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, bilden Kaltluft- und Frischluftentstehungsgebiete und fungieren als Ventilationsbahnen sowie üben sehr wichtige Funktionen als Hochwasserausbreitungs-, Biotop- und Grünverbundraum aus. Ferner dienen sie als Erholungsraum für die Menschen.
Diese vielfältigen Funktionen erfordern jedoch eine naturnahere bis naturnahe Entwicklung.
Dazu zählt ebenfalls die 299,60 km lange Werra, welche den rechten, östlichen der beiden Hauptquellflüsse der Weser darstellt. Im Südosten Niedersachsens vereinigt sich die Werra in Hannoversch Münden mit dem anderen links westlich fließenden 220,70 km langen Hauptquellfluss Fulda zur Weser, welche dann zur Nordsee fließt.
Trotz der sehr hohen und zerstörerischen Salzbelastung hat die Werra eine sehr wichtige Funktion als Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, für den Biotop- und Grünverbund sowie als Kalt- und Frischluftentstehungsgebiet und -korridor. Zudem ist die Werraaue und angrenzende Natur- und Landschaftsräume von zahlreichen arten- und strukturreichen Natur- und Naturlandschaftsbestandteilen geprägt. Beispielsweise kommt dies mit den Ausweisungen des 2.260,00 ha großen FFH-Gebiet 5328-305 – Werra bis Treffurt mit Zuflüssen sowie 2.578,00 ha großen Vogelschutz-Gebiet 5127-401 – Werra-Aue zwischen Breitungen und Creuzburg zum Tragen.
Dabei gilt es nicht nur die dazugehörigen Landschaften sowie die dazugehörige Natur und Umwelt zu schützen und zu sichern, sondern dem Fluss und seiner Aue wieder naturnahe Entwicklungs- und Hochwasserräume zurückzugeben, wozu u.a. Deichrückverlegungen und -aufhebungen, die Unterlassung neuer Flächenversiegelungen und Baumaßnahmen im Fluss – Ufer und Sohle – und in der Aue sowie Rückbau- und Flächenentsiegelungsmaßnahmen gehören. Das entspricht auch der „RICHTLINIE 2000/60/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik“
Auf der Basis dieser Ausgangssituation ergibt sich seitens des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – folgende Stellungnahme:
II. Zu den Verfahrensunterlagen
Der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – ist grundsätzlich von dem Anliegen des Vorhabens überzeugt, sieht aber Widersprüche beim Umgang mit Fluss und Aue.
Es ist unverständlich, warum nicht die bestehende Fischschutz-, Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlage als Basis des Neu- und Umbaus dienen kann. Daher sind neue Fäll- und Rodungsaktivitäten am Flussufer nicht nachvollziehbar und somit inakzeptabel. Zudem gilt es zu bedenken, dass das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) zur aktuellen täglichen Neuausweisung von Siedlungs- und Verkehrsflächen in der Bundesrepublik Deutschland folgendes angibt, Zitat: „Täglich werden in Deutschland rund 55 Hektar als Siedlungsflächen und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Dies entspricht einer Flächenneuinanspruchnahme – kurz Flächenverbrauch – von circa 78 Fußballfeldern.“, Zitat Ende
Ferner ist folgendes ausgeführt, Zitat:
„Bis zum Jahr 2030 will die Bundesregierung den Flächenverbrauch auf unter 30 Hektar pro Tag verringern. Diese gegenüber der Nachhaltigkeitsstrategie von 2002 verschärfte Festlegung wurde vom Bundeskabinett bereits im Januar 2017 in der „Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – Neuauflage 2016“ festgelegt. Seit dem Klimaschutzplan vom November 2016, der die Leitplanken für ein grundsätzliches Umsteuern in Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Weg zu einem treibhausgasneutralen Deutschland beschreibt, strebt die Bundesregierung bis 2050 sogar das Flächenverbrauchsziel Netto-Null (Flächenkreislaufwirtschaft) an, womit sie eine Zielsetzung der Europäischen Kommission aufgegriffen hatte. Diese Zielsetzung hat während der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 Eingang in die Erwägungen für eine EU-Biodiversitätsstrategie gefunden und wurde im März 2021 nun auch in die weiterentwickelte Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen.“, Zitat Ende
Das ergibt im Jahr einen Flächenverbrauch im Umfang von 20.075 ha. Im Vergleich dazu hat die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt Magdeburg eine Fläche von 20.103 ha = 201,03 km².
Nach Auffassung des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA -, ist bereits diese Anzahl, angesichts des fortgeschrittenen Flächenverbrauches, viel zu hoch.
Der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – weist zudem darauf hin, dass es offensichtlich wenig wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zu Einschwimmsperren gibt.
https://www.ask-eu.de/Artikel/30786/Zur-Effektivit%C3%A4t-von-Einschwimmsperren-aus-Steinriegeln.htm
https://www.wasserbau.tu-darmstadt.de/forschung_wb/fo_forschungsprojekte/einschwimmsperren.de.jsp
Daher gilt es vorhandene Untersuchungen heranzuziehen, um den Sinn und Zweck derartiger Anlagen besser zu prüfen.
Zudem hält der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – die mehrfach angegebene Rechenbreite im Umfang von 10,00 mm erneut zu überprüfen.
Laut der Forum Fischschutz & Fischabstieg herausgegebenen Publikation „Wann ist ein Rechen ein Fischschutzrechen?“ sind folgende Betrachtungen dringend geboten, Zitat:
» Fischschutzrechen mit lichtem Rechenstababstand von 20 mm (siehe Fact Sheet 02) sind für Adulte zahlreicher Arten, sowie für den überwiegenden Teil der 0 + und 1+Fische passierbar.
» Fischschutzrechen mit lichtem Rechenstababstand von 10 mm sind für Adulte zahlreicher potamodromer Arten und den Lachs ab dem 1. Lebensjahr nicht passierbar. Dennoch ist ein Schutz des überwiegenden Teils der 1+und 0 + Fische nicht gegeben (siehe Fact Sheet 02).
» Wollte man alle adulten Fische schützen, die in der Infografik „Passierbarkeit von 20- und 10 mm-Rechen“ enthalten sind, müsste der lichte Rechenstababstand 4,7 mm unterschreiten (Bemessungsart Dreistachliger Stichling*). Zum Schutz aller Fische ab dem 2. Lebensjahr (> 1+) wären Abstände unter 3,1 mm (Bemessungsart Stint*) und für alle ab dem 1. Lebensjahr (> 0 +) unter 1,2 mm (Bemessungsart Stint*) erforderlich.“
Zitat Ende
https://forum-fischschutz.de/sites/default/files/FSFFS_05_04.pdf
Daher lehnt der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – AHA – das Vorhaben in der Form ab und fordert dafür alternativ die Erstellung einer wissenschaftlich fundierten Schutz- und Entwicklungskonzeption für die Werra und ihre Aue ein. Ferner hält es der AHA für dringend geboten dem Fluss mehr Raum und Möglichkeiten einer naturnaheren bis mindestens naturnahe Entwicklung zu ermöglichen. Die angedachten Baumaßnahmen erfüllen diese Kriterien jedoch nicht.
III. Schlussbemerkungen
Bekanntlich gehören Fluss- und Auenlandschaften zu den arten- und strukturreichsten Landschaften und Naturräumen der gemäßigten Zonen. Sie bieten punktuell und flächendeckend Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, bilden Kaltluft- und Frischluftentstehungsgebiete und fungieren als Ventilationsbahnen sowie üben sehr wichtige Funktionen als Hochwasserausbreitungs-, Biotop- und Grünverbundraum aus. Ferner dienen sie als Erholungsraum für die Menschen.
Diese vielfältigen Funktionen erfordern jedoch eine naturnahere bis naturnahe Entwicklung.
Der ehrenamtliche und gemeinnützige Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. bietet gerne seine Erfahrungen und fachlichen Kenntnisse an.
Der Kontakt lautet:
Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – AHA
Große Klausstraße 11
06108 Halle (Saale)
E-Mail: aha_halle@yahoo.de
Andreas Liste
Vorsitzender
Halle (Saale), den 15.10.2023
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