Petition: Keine Vorverlegung des Deiches und nachhaltiger Hochwasserschutz in Halle (Saale)
Bitte verhindern Sie mit allen politischen Mitteln die Vorverlegung des Gimritzer Deiches in Halle (Saale), geplant durch den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) und stoppen Sie den „vorgezogenen Maßnahmebeginn“ durch das Landesverwaltungsamt, um zu verhindern, dass in Halle das Hochwasserabflussprofil um 170 m eingeengt und somit das Hochwasserrisiko für die ganze Stadt erhöht wird.
Eine Ertüchtigung des Gimritzer Dammes in der vorhandenen Linienführung, die Herausnahme der Gebäude und künstlichen Geländeerhöhungen im Deichvorland entsprechen einem nachhaltigen wasserökologischen Schutz im Rahmen einer ganzheitlichen Hochwasserschutzstrategie des Landes Sachsen‐Anhalt. Dazu gehören die Rückgabe von Altauen als Retentionsraum sowie ein besonders auf den Hochwasserschutz orientiertes Talsperrenmanagement. Da der Deich erheblich erhöht werden soll, bedarf es dringend direkt begleitender, präventiver Ausgleichsmaßnahmen für die Gebäude der weiteren Altstadt Halles.
Wir bitten Sie herzlich und dringend, unser Anliegen in einer Anhörung vortragen zu dürfen.
Begründung:
Der Deich zum Schutz von ca. 30.000 Menschen der Neustadt Halles westlich der Saale ist zwar sicherlich nicht alternativlos, sollte aber aufgrund der gegenwärtigen gesellschaftlich spannungsgeladenen Situation so rasch wie möglich erfolgen. Die Obhut von 5.000 Menschen auf der rechten Flussseite der Saale, die im Gegensatz zur Neustadt vom Hochwasser 2013 stark betroffen wurden, darf durch diese Maßnahmen jedoch keinerlei Beeinträchtigung erfahren. Dies wäre möglich, wenn statt der gegenwärtigen Planung der Ausbau von Retentionsflächen bzw. ein geändertes Talsperrenmanagement ins Zentrum der Bemühungen rücken würden.
Stattdessen wird in Halle ohne ein übergreifendes Hochwasserschutzkonzept der Gimritzer Deich durch
die Neuplanungen des LHW in das Hochwasserabflussgebiet vorgerückt, auf diese Weise 7,84 ha Retentionsraum vernichtet und das Talprofil erheblich eingeengt. Selbst der LHW weist durch diese Maßnahmen eine Wasserspiegellageerhöhung von ca. 2‐4 cm aus, wobei wir die Grundlage dieser Modellierung als sehr ungenau und verharmlosend betrachten. In das Simulationsmodell sind Daten eingegangen, die die örtlichen Gegebenheiten nicht berücksichtigen. Die weit an die Wilde Saale herangeführte Hochwasserwand soll fast quer zum Abfluss angeordnet werden. Hier wird ein Abflusshindernis geplant, das die Hochwassergefährdung erhöht.
Solche Planungen widersprechen sowohl den EU‐Richtlinien zum Hochwasserschutz, den Richtlinien der Sonderumweltministerkonferenz vom September 2013 und den uns bekannten gesetzlichen Bestimmungen, etwa den §§ 76, 77 und 78 des Wasserhaushaltsgesetzes. Ebenfalls den gesetzlichen Grundlagen widerspricht, dass statt dem notwendigen Planfeststellungsverfahren für einen Neubau ein Plangenehmigungsverfahren angestrebt wird. Zur geplanten Ausführung kommt die einzige Variante, die den Auenwald beeinträchtigt und zwei geschützte Biotope vernichtet. Dies widerspricht § 68 des Wasserhaushaltsgesetzes. Das Landesverwaltungsamt hat trotz der hochstrittigen Angelegenheit auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet und am 26. September 2014 einen vorzeitigen Maßnahmebeginn genehmigt. Grundsätzlich wird die Mauer um fast einen Meter höher gebaut werden als der bisherige Gimritzer Damm. Bisher wurden der Öffentlichkeit keinerlei Entlastungs‐ oder Ausgleichsmaßnahmen im Oberlauf der Saale für die Erhöhung des Hochwasserstandes infolge der Abflusseinengung vorgestellt.
Halle besitzt durch die vielen Gewässerverzweigungen in der Stadt eine sehr schwierige Situation, die den Hochwasserschutz zu einer sehr anspruchsvollen Angelegenheit macht. Nicht alle Einwohner können mit technischen Anlagen versorgt werden. Deichbauten zum Schutz des Einen führen zwangsläufig zu einer Benachteiligung des Anderen. Lediglich der Gewinn von neuen Retentionsflächen bietet einen ausgewogenen und nachhaltigen Schutz für alle Menschen, auch über Halle hinaus. Sich nicht mit immer höheren Deichen abzuriegeln bedeutet notwendigerweise, die Gefahr zuzulassen und die Häuser für den Hochwasserfall baulich zu ertüchtigen. Retentionsraumgewinn und bauliche Ertüchtigung von Häusern müssen daher (besonders bei dem geplanten Deichneubau) Hand in Hand gehen. Dazu sind dringend finanzielle Förderprogramme notwendig, die auch private Hausbesitzer in die Lage versetzen, ihre Häuser ohne Verlust von Flächen mit Hochwasserschotten und Schutzvorrichtungen zu sichern und entsprechend der Hochwasserfibel baulich zu ertüchtigen. Als Förderbedingung könnte hier der Abschluss einer Hochwasserversicherung formuliert werden, der Betroffene zur privaten finanziellen Vorsorge im Schadensfall zwingt. Solche baulich‐präventiven Maßnahmen konnten aus der Hochwasserhilfe leider nicht finanziert werden, was mitunter schon groteske Züge besitzt. Wider besseren Wissens musste z. T. aufgrund der Förderbedingungen auf ein hochwassersicheres Bauen verzichtet werden. Für die Stadt Halle sind präventive Förderprogramme unerlässlich, weil die Benachteiligung der Altstadtbewohner die Menschen ansonsten zu Klagen gegen den Bau der abflussmindernden Mauer zwingt, obwohl sie die Ertüchtigung des vorhandenen Dammes grundsätzlich unterstützen und das hohe Schutzbedürfnis in der Neustadt anerkennen.
Es ist dringend erforderlich, den LHW und das Landesverwaltungsamt auch mit politischen Mitteln auf diese Mängel des geplanten Bau‐ und Genehmigungsverfahrens hinzuweisen und das Planungsverfahren dementsprechend zu korrigieren. Grundsätzlich muss der LHW auf eine nachhaltigere Hochwasserschutzpolitik verpflichtet werden. Gegenwärtig sind in Sachsen‐Anhalt zahlreiche Deiche geplant, die großflächig Retentionsräume vernichten. Dies wird in der Summe erhebliche Auswirkungen auf die Unterlieger haben. § 77 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmt, dass Überschwemmungsgebiete in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten oder rechtzeitig die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen sind.
Die Petenten halten es für dringend geboten, für die gesamt Stadt Halle (Saale) eine aktuelle und nachhaltige Hochwasserkonzeption zu erstellen, welche in eine Gesamthochwasserkonzeption der Saale und ihrer Nebengewässer einzubetten ist. Notwendig ist eine Rückgabe von Hochwasserausbreitungsräumen, die Verringerung von Versiegelungsflächen und andere Maßnahmen, die einer Verschärfung von Hochwasserereignissen entgegenwirken.
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