Im Rahmen einer Begehung nahmen Mitglieder des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) am 21.07.2016 mehrere Fließgewässer sowie Landschaften und dabei insbesondere die Böse Sieben und den Wilden Graben in Augenschein.
Im Bereich Landwehr begann die Exkursion zu Fuß. Die AHA-Mitglieder stellten den relativ hohen Ausbaugrad des insgesamt ca. 15,2 km langen Fließgewässers fest. Ferner war man sich schnell einig, dass die sogenannten Hochwasserschutzmaßnahmen in Form von Mauerbau und Uferbefestigung wenig mit einer naturnaheren oder naturnahen Entwicklung des Fließgewässers zu tun hat. Es ist davon auszugehen, dass die Böse Sieben einst in den vor ca. 6.000 Jahren entstandenen Faulen See, welchen bereits im 12. und 13. Jahrhundert friesische Siedler trockenlegten.
Heutzutage prägen mehrere Kleingartenanlagen, Äcker sowie der Wilde Graben mit Umflutgraben, die Glume sowie die Flutgräben Sportplatz, Hundesparte und Gartenanlage bis hin zum Flutgraben Auenweg das einstige Seengebiet.
Der AHA hält es für dringend geboten hier wissenschaftlich-konzeptionell Aktivitäten zur Renaturierung des Gesamtgebietes zu erarbeiten, wozu eine mögliche Wiedereinbettung der Bösen Sieben sowie die teilweise bis gesamte Wiedervernässung des Gebietes gehören sollte, um neben der qualitativen und quantitativen Verbesserung als Lebens- und Rückzugstraum, eine Erhöhung der klimatischen Bedeutung durch Anreicherung der Luftfeuchtigkeit und mit einer einhergehenden Eindämmung oder gar Reduzierung der städtisch bedingten Erwärmung der Stadt Eisleben durch verdunstungsbedingten Wärmeentzug erreichen zu können.
Die Böse Sieben mit ihrem Einzugsgebiet von ca. 167,90 km² spielt da eine sehr wichtige Rolle.
Bereits mit einer, bisher vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) unbeantworteten „Stellungnahme zum Anhörungsverfahren im Planfeststellungsverfahren für das Vorhaben „Gewässerinstandsetzung Wilder Graben km 3+417,0 bis 0+000,0 entlang der Stadtstrecke Lutherstadt Eisleben“ vom 23.05.2011 hat der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) gefordert eine naturnahe Entwicklung des Wilden Grabens zuzulassen. Nur so können Fließgewässer als Lebens- und Rückzugsraum von zahlreichen Tier- und Pflanzenarten und als Biotopverbundraum fungieren, zur umfassenden Abführung von Grund-, Schicht- und Hochwasser sowie zu einem vielfältigen Stadt- und Landschafts-bild beitragen. Ein Fließgewässer, auch wenn es künstlich angelegt wurde, sollte die Möglichkeit und den Raum haben bzw. erhalten sich mindestens naturnah entwickeln zu können. Dazu benötigen sie ein entsprechend umfassendes räumliches Umfeld. Insbesondere zählen die Mindestgewässerschonstreifen von jeweils 10 m dazu. Zum anderen gilt es alle Einleitungen von ungereinigten Ab- und Niederschlagswasser zu unterbinden.
Darüber hinaus zeichnen sich naturnahe Fließgewässer durch Mäandrierungen, Schnell- und Langsamfließstrecken sowie einer vielfältigen standortgerechten Ufervegetation aus. Fließgewässer bilden bekanntlich wichtige Lebens- und Rückzugsräume für Tier- und Pflanzenarten sowie haben eine sehr wichtige Funktion im Biotop- und Grünverbund.
Die Gewässersohle sollte reich strukturiert sein. Steine, Gehölze und Erdnischen sorgen für unterschiedliche Fließgeschwindigkeiten mit einhergehenden Sauerstoffanreicherungen, befördern die Mäandrierungen und bieten Organismen aller Art Lebens- und Rückzugsraum. Daher sind alle Ufer- und Sohlbefestigungen außerhalb von unmittelbaren und notwendigen Querungsbauwerken zu entfernen.
Das auf einer Länge von ca. 3,4 km geplante sowie einst mit 1,3 Millionen Euro veranschlagte, nunmehr mit 1,5 Millionen Euro bezifferte und aus Steuermitteln zu finanzierende Bauvorhaben, bewirkt jedoch die Errichtung eines ökologisch öden und naturfernen Fließgewässers. Die Ursachen der rasant ansteigenden Hochwasser nach Niederschlägen in Folge der zunehmenden Flächenversiegelungen und verfestigter Ackerbodenstrukturen in der zumeist ausgeräumten Landschaft mit einhergehender Bodenerosion und Eintrag von Nähr- und Schadstoffen bleiben vollkommen unberührt. Selbst der gesetzlich fixierten Umsetzung der Gewässerschonstreifen möchte man sich entziehen.
Somit kann man der sogenannten „Gewässerinstandsetzung Wilder Graben“ nur mit Ablehnung gegenüberstehen, da keine Ursachen der örtlichen Umweltprobleme erfolgt, aber stattdessen ein unhaltbarer naturferner Zustand eines Fließgewässers verstetigt werden soll. Selbst die vorhandenen Ansätze einer naturnahen Entwicklung beabsichtigt man baulich zu unterbinden, statt diese mit Raum, Störhölzern und Störsteinen eher zu unterstützen.
Zudem fehlen sämtliche städteplanerischen Ansätze der Lutherstadt Eisleben der weiteren Flächenversiegelung entgegenzuwirken. Ebenso Maßnahmen zu prüfen, zu beraten und zu ergreifen schrittweise Anlagen aller Art aus den Retentionsflächen zu entfernen. Das bedarf jedoch einer rechtzeitigen und umfassenden Beratung mit der Bevölkerung. Insbesondere bei Kleingartenanlagen ist das dringend vonnöten. Hier sind viele Möglichkeiten vorhanden, von kompletter Umverlegung bis hin zur schrittweisen Aufgabe von verlassenen Parzellen und Nicht-Neuverpachtung mit Senkung der Gesamtpacht des Kleingartenvereins im Umfang der Verringerung der Mitglieder mit Gärten.
In Sachen des Umgangs mit Hochwasser fehlen neben der obengenannten Beseitigung bzw. zumindestens Einschränkung der Ursachen, sämtliche ernsthaften Prüfungen von Varianten der Deichrückverlegungen, um dem Wilden Graben mehr Überflutungs- und naturnahen Entwicklungsraum zu geben. Stattdessen setzt man nur auf rein wasserbauliche Maßnahmen mit ihren naturschädigenden Auswirkungen.
Somit steht die Forderung, dass es einer tiefgründigen Gesamtplanung in dem Raum bedarf, an der von Anfang an alle Verantwortlichen, Betroffenen und Interessenten zu beteiligen sind.
Der nunmehr angeführte Grund, dass abbrechende Ufer und der damit verbundene Eintrag von Schwebstoffen in den Süßen See zu verhindern, ist Ausdruck von Ignoranz der Funktion von naturnahen und naturnaheren Fließgewässern. Abgesehen davon, dass die Verhinderung des Eintrags von Schwebstoffen in den Süßen See nicht möglich ist, führt eine Ufer- und Sohlbefestigung zur Erhöhung der Hochwassergefahr, da sich derartig kanalisierte Fließgewässer die Wasserkraft nicht an einer für Fließgewässer typischen Mäandrierung abarbeiten kann. Darüber hinaus kann ein derartig ausgebautes Fließgewässer seine Entwässerungsfunktion durch die Aufnahme und Abführung von Grund- und Schichtwasser nicht im vollen Umfang oder gar nicht mehr erfüllen. Stattdessen staut sich das Grund- und Schichtwasser an den Befestigungen zurück und sucht neue Wege, welche zum Beispiel in Kellern von Wohnhäusern ihr Ende finden können. Angesichts der steigenden Grundwasserstände ist somit eher mit einer Zunahme, als einer Abnahme derartige Probleme zu rechnen. Somit verkommen die Versprechungen des Landes Sachsen-Anhalt einen ordnungsgemäßen Umgang mit dem steigenden Grundwasser zu suchen und zu finden zu bloßen Lippenbekenntnissen, da naturgemäß nur unverbaute, naturnahe Fließgewässer zu einer Entspannung der Situation beitragen und dienen können.
Spätestens mit dem Inkrafttreten der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) am 22.12.2000 mit einer Umsetzung in einem Zeitraum von 15 Jahren sollte eine ökologisch orientierte Herangehensweise an Fließgewässer jeglicher Art erfolgen. So ist beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit unter der Rubrik WRRL folgendes zu entnehmen:
Die eigentlichen, verbindlichen Umweltziele sind in Artikel 4 festgelegt, der zentralen Vorschrift der Richtlinie. Bei oberirdischen Gewässern gelten folgende Ziele:
- Guter ökologischer und chemischer Zustand in 15 Jahren
- Gutes ökologisches Potenzial und guter chemischer Zustand bei erheblich veränderten oder künstlichen Gewässern in 15 Jahren
- Verschlechterungsverbot
Darüber hinaus sind die Ursachen von Gewässerbeeinträchtigungen massiv anzugehen. Dazu zählt der Stopp bzw. gar Rückbau der erheblichen Bodenversiegelungen – laut Umweltbundesamt und Statistischem Bundesamt in Deutschland täglich ca. 80 ha = im Jahr in etwa die Fläche der Stadt München-; verbaute potentielle bzw. einst vorhandene Retentionsflächen, geringe oder kaum vorhandene Gewässerschonstreifen, fehlende Vielfalt in der Fruchtfolge mit Wechsel von Humusmehrern und Humuszehrern, massive Einträge von Düngemitteln und Pestiziden, Einleitung von Abwässern sowie Fehlen von Flurgehölzen. Insbesondere das Fehlen einer vielfältigen Fruchtfolge und das Fehlen von Flurgehölzen und Gewässerschonstreifen führen zum ungehinderten Eintrag von Bodensedimenten, Nähr- und Schadstoffen.
Alles das gilt es unverzüglich anzugehen und nicht mit umfassenden finanziellem und technischem Aufwand die Fließgewässer den menschlich geschaffenen Missständen massiv baulich anzupassen.
Neben der unzureichenden Sensibilität im Umgang mit Fließgewässern aller Art und der rein wasserbaulichen Lösung der vielerorts vorhandenen Probleme, fehlt eine ordnungsgemäße Analyse der biologischen und der physikalisch-chemischen Gewässergüte sowie vorhandener Biotoptypen mit Fauna und Flora.
Es gilt unbedingt den Fließgewässern zumindestens die Möglichkeit einer naturnahen Entwicklung zu geben. Das erfordert aber die Beendigung des Eintrags von Abwässern und Schadstoffen sowie den Erhalt bzw. die Ausweitung entsprechender Entwicklungsräume. Dazu trägt schon die Umsetzung der gesetzlichen Gewässerschonstreifen von beidseitig mindestens 10 m bei.
Die Basis sollte eine umfassende fachlichinhaltliche Analyse sowie die Umsetzung rechtlicher Rahmen, wie der WRRL, sein. Bis zum Jahr 2015 sind die Bestimmungen der WRRL umzusetzen.
Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) setzt stattdessen ohne Untersuchung ernsthafter Alternativen, welche mit Verantwortlichen, Betroffenen und Interessenten von Anfang an zu beraten und zu planen sind, auf eine reine wasserbauliche Herangehensweise, welche zudem dem Steuerzahler mit ca. 1,5 Millionen Euro tragen soll. Diese Gelder wären in der Schaffung von Gewässerschonstreifen, Beseitigung von Versiegelungen an und in Fließgewässern sowie komplexen Deichrückverlegungen sinnvoller und besser aufgehoben.
Im Bereich der Bösen Sieben in Wimmelburg, wo neben der Wasserarmut durch die Wirkung des Regenschattens des westlich angrenzenden Harzes, kalkbedingtes Karstgebiet in niederschlagsarmen Zeiten zur Versickerung des Baches führen kann, hat man das Fließgewässer in großen Strecken in Sohle und Ufer befestigt, um genau das verhindern zu können. Dies entspricht ebenfalls nicht einer naturnahen Entwicklung, welche u.a. in der WRRL Eingang gefunden hat.
In dem Blickwinkel betrachtet kann sich der AHA vorstellen, nach vollständiger Beräumung der Halde im Bereich Thomas-Müntzer-Straße, Eislebener Straße und Hüttenstraße sowie der Einmündung des Goldgrundbaches, der Bösen Sieben einen großen Teil der Altaue zurückzugeben. Hier könnte sich sukzessiv eine arten- und strukturreiche Auenlandschaft aus Gehölzen, Wiesen, Hochstauden und Feuchtgebieten entwickeln, welche einer massiven Beeinflussung durch die Wechselwirkung und den Umfang von Hoch- und Niederschlagswasser unterliegen. Somit ließen sich mehrere sehr wichtige Interessen in Sachen Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutz, Hydrologie mit Umgang mit Hochwasser sowie Wohn- und Lebensqualität verbinden.
Der AHA regt daher eine Erstellung einer wissenschaftlich fundierten Schutz- und Entwicklungskonzeption an. Da könnten sich u.a. Wissenschaftler und Studierende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Hochschule Anhalt in Bernburg einbringen.
Der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) ist im Rahmen seiner ehrenamtlichen Möglichkeiten an der Mitwirkung an einer natur- und umweltverträglichen Konzipierung für Böse Sieben und den Wilden Graben dringend interessiert. Darüber hinaus möchte sich der ehrenamtliche und gemeinnützige AHA auch für den Schutz und Erhalt von Fließ- und Standgewässer in und um Eisleben einsetzen, wozu u.a. das Einzugsgebiet der Bösen Sieben, des Süßen und des zögerlich wieder entstehenden Salzigen Sees mit seinen Zu- und Durchflüssen von Zellgrundbach und Weida sowie das angrenzende Einzugsgebiet der Salza gehören.
Wer Interesse hat an einer ehrenamtlichen AHA-Gruppe in Eisleben und Umland mitzuwirken, wende sich bitte an folgende Anschrift:
Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – (AHA)
Große Klausstraße 11
06108 Halle (Saale)
E-Mail AHA: aha_halle@yahoo.de
Internet: https://www.aha-halle.de
Fotos Andreas Liste
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