Liebe Leserbriefreaktion,
mit großer Bestürzung habe ich in den letzten zwei Wochen den Fortgang der Steinschüttungs-Maßnahmen flussabwärts der Saale entlang der Peißnitz-Insel verfolgt. Nachdem am Freitag, den 15.10.2021 mittlerweile das Naturschutzgebiet „Nordspitze der Peißnitz“ davon betroffen ist und nun der gesamte Uferrand des NSGs von dieser Maßnahme bedroht zu sein scheint, möchte ich hiermit zu einem dringenden Baustopp auffordern. Abgesehen davon, dass die Steinschüttungen das gesamte ästhetische Bild des Saale-Flussufers zu Nichte machen, sind sie aus ökologischer, administrativer und finanzieller Sicht unsinnig.
Der Einbau der Steinschüttungen, der von der Stadt Halle (Fachbereich Städtebau und Bauordnung) im Auftrag der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) vorgenommen wird, dient offensichtlich der Unterhaltung der Saale als Bundeswasserstraße. Zum einen stellt sich hier die grundsätzliche Frage, ob der Status einer Bundeswasserstraße zwischen dem Hafen Halle und der Innenstadt aufgrund komplett ausbleibender Nutzung überhaupt Sinn macht. Zum anderen verstoßen die Steinschüttungen nach meinem Dafürhalten den durch das Bundeswasserstraßengesetz (WaStrG) gemachten Vorgaben. Nach §8 gilt dort „Bei der Unterhaltung ist den Belangen des Naturhaushalts Rechnung zu tragen; Bild und Erholungswert der Gewässerlandschaft sind zu berücksichtigen. Die natürlichen Lebensgrundlagen sind zu bewahren.“1 -Die Steinschüttungen bedecken ökologisch wertvolle Wechselwasserbereiche des Ufers und des natürlichen Gewässerbodens, und damit Lebensräume z.B. von Fischen und Wirbellosen. Zudem haben die im Vorfeld vorgenommen Gehölzentnahmen entlang der Wasserlinie die Beschattung des Gewässers vermindert und Ansitz-Möglichkeiten für bedrohte Vogelarten, wie den Eisvogel, vernichtet. Damit widersprechen die Gehölzentnahmen und Steinschüttungen auch den Zielen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL), wonach alle vorhandenen Flüsse, Seen, und Küstengewässer sowie das Grundwasser in einen qualitativ „guten Zustand“ zu überführen sind (Verbesserungsgebot nach EG-WRRL)2. Die durchgeführten Maßnahmen bewirken dagegen eine Verschlechterung. Zudem handelt es sich noch um einen besonders schwerwiegenden Eingriff, weil es sich bei der Nordspitze Peißnitz um ein wichtiges FFH-Gebiet Sachsen-Anhalts handelt (4437-307 Nordspitze der Peißnitz und Forstwerder in Halle.
Diese Maßnahmen konterkarieren darüber hinaus zahlreiche aktuelle Bestrebungen, den ökologischen Zustand unserer Fließgewässer zu verbessern. Dazu gehört unter anderem auch das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“, einer gemeinsamen Initiative von Bundesverkehrsministerium und Bundesumweltministerium3. Dieses sieht bis zum Jahr 2050 vor, nicht mehr benötigte Infrastruktur im Gesamtnetz der Bundeswasserstraßen in Verbindung mit Renaturierungsmaßnahmen zurückzubauen. Ein aus meiner Sicht hier noch sehr pikanter Punkt ist, dass die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) seit kurzem nicht nur für den Verkehr auf den Bundeswasserstraßen zuständig ist, sondern seit dem 08.06.2021 auch für die Erreichung gewässerökologischer Ziele zuständig sein soll. Mit den hier an der Saale vorgenommenen Steinschüttungen verletzt diese Behörde ihre eigenen Ziele! Anstatt einen Rückbau vorzunehmen, oder zumindest naturverträglichere Bauweisen zur Ufersicherung zu nutzen, wird hier ein aktiver „harter Verbau“ betrieben. Diese Maßnahmen beeinträchtigen nicht nur den ökologischen Zustand des Gewässers, sondern verschlingen auch immense Geldsummen aus Bundesmitteln, und damit Steuergelder, sowie dann in Zukunft noch einmal ein Vielfaches dieser Beträge, wenn diese Steinschüttungen dann im Rahmen anstehender Renaturierungsplanungen wieder entfernt werden müssten.
Ich rufe hiermit dazu auf, diesen Schildbürgerstreich unmittelbar zu beenden.
Prof. Dr. Helge Bruelheide
Institut für Biologie / Geobotanik und Botanischer Garten
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