Sehr geehrter Herr Hirz,

vom Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalts erhielt ich die Auskunft, dass Ihre Behörde den „Ausbau“ des Saaleufers im Bereich Peißnitzinsel genehmigt hätte. Gelinde gesagt ist dies eine Katastrophe!

Von der malerischen Saale ist nichts mehr übrig, ganz zu schweigen von den ökologischen Auswirkungen dieser Maßnahmen. Der Eisvogel – weg, zahlreiche selten Insekten der Ufersäume – verschwunden (ich bin Entomologe und kann dies belegen!) – welche Lobbyisten stehen dahinter? Die Zeichen der Zeit werden nicht verstanden!
Der Leiter unserer Einrichtung, Herr Dr. Steinheimer hatte hierzu einen Text verfasst, den ich mit einfüge!

Haben Sie die Maßnahmen vor Ort in Augenschein genommen? Falls nicht, hänge ich zwei Fotos an, die nur einen kleinen Eindruck vermitteln können. Die ganze Verfahrensweise ist absolut unzeitgemäß. Als Bürger der Stadt Halle erwarte ich eine Stellungnahme zu diesem Vorgang.

Mit freundlichen Grüßen,

Andreas Stark

Vom Urwaldfluss zum kanalisierten Gewässer: Die Hochwasserschutzmaßnahmen an der Saale

Gastbeitrag von Dr. Frank Steinheimer, Zentralmagazin Naturwissenschaftlicher Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Viele Bürgerinnen und Bürger der Stadt Halle (Saale) wundern sich seit einigen Wochen über die Baumfäll- und Uferbereinigungsarbeiten des Wasser- und Schifffahrtsamtes entlang der innerstädtischen Saale. Eine konkrete Antwort der zuständigen Behörde, also die Stadt Halle (Saale) als Auftragsgeberin unter Genehmigung des oben erwähnten Amtes, auf eine Anfrage im Frühling 2020, als die Arbeiten starteten, zum Sinn und Zweck der Maßnahme, blieb bis heute unbeantwortet. Allerdings sind aus früheren Pressemitteilungen der Stadt Halle (Saale) in Folge des Hochwassers im Jahre 2013 und den damit ausgeschütteten Hochwassergeldern immer zwei wesentliche Maßnahmen für die innerstädtische Saale als Prävention gegen ein neues Hochwasser genannt worden: Das Ufer zu befestigen und die Durchflussgeschwindigkeit der Saale im Stadtbereich zu erhöhen. Als drittes Argument kommt zudem die erhöhte Sicherheit für die Schifffahrt hinzu.

Näher betrachtet macht allerdings das Säubern des Ufers von aller Vegetation und der aufwendige Auftrag von teuren Porphyrsteinen wenig Sinn: Bäume bzw. allgemein Vegetation verfestigen Ufer wesentlich besser, als lose Steine. Wir brauchen dafür nur mal kurz ins Ahrtal zu schauen. Dort haben Bäume den massiven Fluten vom Sommer 2021 getrotzt und stehen dort wie eh und je, aber die Häuser nebenan sind komplett weggespült worden. Bei einer starken Flut, wie im Jahre 2013 mit erheblichen Druckwasser, werden auch die schweren Porphyrsteine aufgespült und in die Fahrrinne geschwemmt werden. Zusätzliche Kosten der Beseitigung dieser Steine (oder wenn man es böse sagen will, eine weitere Selbstbeschäftigung des Wasserwirtschaftsamtes) steht dann an. Bäume hingegen mögen bei Sturm umgerissen werden, seltener bei Hochwasser, aber haben immerhin den natürlichen Vorteil, nicht in der Fahrrinne der Saale zu verschwinden, sondern oberflächlich wieder abfischbar zu sein. Die Durchflussgeschwindigkeit, die die Bäume angeblich ausbremsen, ist ja in Halle nicht durch die wunderbaren Gewächse am Saaleufer limitiert, sondern durch die beiden Felsen der Bergschänke und der Burg Giebichenstein. Und hier fordert niemand ernsthaft deren Sprengung! Die Saaleschifffahrt beschränkt sich im Moment auf wahrscheinlich nur zwei Personen, die überhaupt größere Passagierschiffe in Halle steuern dürfen, die kleineren Sportboote oder gar Paddelboote betrifft ein überhängender Baum am Ufer nicht. Und auch die Schiffspassagiere wünschen sich sicherlich einen anderen Uferanblick, als auf Geröll zu schauen. Güterschiffsverkehr gar ist in Halle nicht vorhanden. Daher darf man fragen: Für welchen Schiffsverkehr wird hier das Ufer saniert?

So ist in meinen Augen der ganze Aufwand aus den falschen Gründen betrieben worden – umso dramatischer ist dabei die Bereinigung des Uferstreifens entlang des einmaligen innerstädtischen Naturschutzgebietes „Nordspitze Peißnitz“ zu werten: Nicht nur verlieren hier bedrohte Arten wie der Eisvogel, der in diesem Bereich mehrmalig Brutversuche unternommen hat, oder Zwergtaucher, der sich nachts in dem Wasser unter den überhängenden Zweigen im Winter versteckt, ihren Lebensraum, sondern die Menschen eine gelebte Anschauung, wie ungebändigte Natur aussieht.

Zusätzlich kommt der Verdacht auf, dass die verantwortlichen Mitarbeitenden der beteiligten Ausführungs- und Genehmigungsbehörden einfach von Haus aus eine falsch verstandene Ästhetik innewohnt, alles „ordentlich“ halten zu müssen. Vielleicht sind auch deren Gärten mit weißen Kieselsteinen ausgelegt, anstatt ein bisschen Wildwuchs zuzulassen.

Mir zumindest wurde mit dieser Baumfäll- und Uferbefestigungsmaßnahme nicht nur ein bisschen meiner morgendlichen und abendlichen Lebensqualität beim Entlangradeln an einem nahezu unangetasteten Auwaldufer genommen, sondern ich sehe hier auch Steuergelder nicht für das Wohl der Allgemeinheit eingesetzt.

 

Dr. Andreas Stark

Wissenschaftlicher Mitarbeiter ||| BMBF-Projekt „Sprache der Objekte“ – Konchylien |||
Zentralmagazin Naturwissenschaftl. Sammlungen (ZNS)