I. Grundsätzliches

Bekanntlich bilden Fluss- und Auenlandschaften eine wichtige Einheit. Beide stehen in einer engen und sehr vielfältigen Wechselbeziehung zueinander. Die Auenlandschaften dienen den Flüssen als Ausbreitungsraum für Hochwasser und versorgen sie somit mit Wasser, Sedimenten und z.B. als Schwemmgut herangetragenes neues genetisches Material aus Tieren und Pflanzen. Im Umkehrschluss fungieren die Auenlandschaften als „Reinigungskraft“ für die Flüsse, indem beispielsweise Auenwälder das abgebremste Wasser von Sedimenten „befreien“ sowie Schwemmgut „herauskämmt“.
Diese langzeitige Wechselbeziehung hat somit eine der arten- und strukturreichsten Naturlandschaften der gemäßigten Zonen hervorgebracht, welche zahlreichen Tier- und Pflanzenarten Lebens- und Rückzugsraum bietet. Darüber hinaus trägt diese intensive Wechselbeziehung zur Verbesserung des Landschafts- und Ortsbildes urbaner Gebiete bei und sorgt als Kalt- und Frischluftentstehungsgebiet und –korridor für eine nachhaltige Verbesserung des Klimas.
Dabei gilt es zu erwähnen, dass das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gibt zur aktuellen täglichen Neuausweisung von Siedlungs- und Verkehrsflächen in der Bundesrepublik Deutschland folgendes an, Zitat: „Täglich werden in Deutschland rund 58 Hektar als Siedlungsflächen und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Dies entspricht einer Flächenneuinanspruchnahme – kurz Flächenverbrauch – von circa 82 Fußballfeldern.“, Zitat Ende
Das ergibt im Jahr einen Flächenverbrauch im Umfang von 21.170 ha. Im Vergleich dazu liegt diese Zahl zwischen der Fläche der Stadt Essen (21.034 ha) und der Stadt Lübeck (21.419 ha).
Der nunmehrige Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD hat dazu folgendes ver-merkt, Zitat:

Flächenschutz
Unser Ziel ist, den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 auf maximal 30 Hektar/Tag zu halbieren. Wir prüfen, mit welchen zusätzlichen planungsrechtlichen und ökonomi-schen Instrumenten das Ziel erreicht werden kann.“, Zitat Ende

Auf dieser Basis bezieht der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) folgendermaßen Stellung:

II. Zu den Verfahrensunterlagen

Den Planungsunterlagen ist zwar zu entnehmen, dass man beabsichtigt, dass im Jahr 1992 entstandene Werksgelände um weitere 17,5 ha zu erweitern, aber es fehlen Angaben zu Flächenangaben des bereits bebauten Gebiet. Ferner gehört es zu einer ordnungsgemäßen Beurteilung dazu, dass der ursprüngliche Bebauungsplan und seine 6 Änderungen Bestandteil der Planungsunterlagen sind. An der Stelle verweist der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) darauf, dass keine Beteiligung an den Bebauungsplanungen erfolgte und somit davon auszugehen ist, dass diese nicht ordnungsgemäß zu Stande gekommen sind.
Schon die Errichtung des Werksgeländes im Jahr 1992 in den Überflutungsraum von Werra und Suhl sind vollkommen inakzeptabel. Dabei zeigen die Angaben und Fotos unter Punkt 3. Wasserwirtschaftliche Belange sehr eindrucksvoll auf, welche Folgen das auf die bisherige Bebauung hat. Diese Bebauung um weitere 17,5 ha zu erweitern ist nicht nur fachlich-inhaltlich inakzeptabel, sondern in jeglicher Hinsicht vollkommen unverantwortlich. Angesichts der bestehenden massiven Bebauung ist es zudem nicht ausreichend mit einer hydraulischen 2D-Modellmessung Aufschluss über eine weitere Verschärfung der Hochwasser bei fortgesetzter Einschränkung des Hochwasserraumes zu erhalten. Auf Grund der der bestehenden Bauten und geplanter weiterer Bebauung kann man nur mit dem 3D-Modell ordnungsgemäßere Angaben ermitteln.
Bekanntlich befinden sich in dem Mündungsgebiet der Suhl in die Werra noch zahlreiche Altverläufe der Werra. So bezeichnet man in zahlreichen Unterlagen die letzten 500 m der Suhl vor der Einmündung in die Werra als „Kleine Werra“, weil sich hier einst ein Altverlauf der Werra befand. Daher begrüßt der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) Aktivitäten zur Wiederherstellung von Mäandrierungen und ggf. den Wiederanschluss von Altverläufen der Werra. Jedoch bedarf dies einer gesonderten und umfassenden wissenschaftlichen Betrachtungen, welche eine Erfassung der Fauna, Flora, Struktur und der momentanen hydrologischen Verhältnisse beinhalten müssen. Daraus ist dann eine wissenschaftlich fundierte Schutz- und Entwicklungskonzeption zu erstellen, welche als planerische und praktische Diskussions-, Planungs- und Umsetzungsgrundlagen dienen muss.
Nach Auffassung des Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) kann man in der Suhl eine Mäandrierung durch das Belassen bzw. Einbringen von Störhölzern und –Steinen in Gang setzen. Auf Grund der Wiederherstellung bzw. Schaffung von Verlaufsverlängerungen ermöglicht man in der Tat eine erhöhte Aufnahmefähigkeit von Hochwasser. Nur benötigt man –wie oben bereits erwähnt- korrekte Messverfahren. Zudem rechtfertigt das keine bauliche Erweiterung einer ohnehin räumlich fehlplatzierten Produktions- und Vertriebsstandort.
Die vorliegenden Planungsunterlagen können daher erwartungsgemäß nicht überzeugen, dass man im Zuge der baulichen Erweiterung Produktions- und Vertriebsstandortes der Model GmbH um 17,5 ha sogar noch zusätzliche Retentionsflächen schaffen kann.
Für den Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) ist es u.a. basierend auf den Hochwasserereignissen des Sommers 2013 sogar dringend erforderlich den seit dem Jahr 1992 bestehenden Produktions- und Vertriebsstandortes der Model GmbH in Frage zu stellen. Nicht nur, dass Hochwasserausbreitungsräume schon jetzt eine empfindliche Einschränkung erfahren haben, sondern zudem garantiert Veränderungen Hochwasserströmungsverhältnisse eingetreten sind sowie verstärkte und veränderte Rückstausituationen in Richtung der Ortslage Berka bestehen. Diese bisher entstandenen Auswirkungen fehlen in den vorliegenden Planungsunterlagen. Man vermittelt den Eindruck, dass die bisherigen baulichen Einschränkungen des Hochwasserraumes von Werra und Suhl vollkommen normal sind. Nach Einschätzung des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) ist das mitnichten so.
Die Feststellungen unter Punkt 2.5 Naturräumliche Gliederung gilt es nach Auffassung des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) als Ausgangspunkt für die bereits erwähnten wissenschaftlichen Betrachtungen zur naturnaheren und naturnahen Entwicklung von Werra und Suhl sowie ihrer Auen dienen.
Insofern ist nach Ansicht des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) nicht nur das bestehende Planungsverfahren abzulehnen, sondern ernsthaft zu prüfen für die Model GmbH einen anderen, unbedenklicheren Standort zu suchen.

III. Schlussbemerkungen

Das angedachte Vorhaben zur baulichen Erweiterung des Produktions- und Vertriebsstandortes der Model GmbH stellt einen weiteren massiven Eingriff in die Auen von Werra und Suhl im Bereich der Ortslage von Berka dar und schränkt unnötigerweise die Entwicklungsmöglichkeit der Fluss-und Auenlandschaften von Werra und Suhl in Richtung einer Stärkung und Verbesserung einer arten- und strukturreichen Landschaft ein. Dabei bieten punktuell und flächendeckend Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, bilden Kaltluft- und Frischluftentstehungsgebiete und fungieren als Ventilationsbahnen sowie üben sehr wichtige Funktionen als Hochwasserausbreitungs-, Biotop- und Grünverbundraum aus. Ferner dienen sie als Erholungsraum für die Menschen.
Diese vielfältigen Funktionen erfordern jedoch eine naturnahere bis naturnahe Entwicklung. Die bestehende bauliche Situation und ihre geplante Erweiterung steht jedoch solchen Entwicklungen entgegen. Während die Schaffung bzw. Wiederherstellung von Mäandrierungen diskussionswürdig sind, bedarf es einer Ablehnung der baulichen Erweiterung des Produktions- und Vertriebsstandortes der Model GmbH. Darüberhinaus gilt es den Standort des Produktions- und Vertriebsstandortes der Model GmbH in Frage zu stellen und ernsthaft ein Alternativstandort zu suchen.
Der ehrenamtliche und gemeinnützige Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. bietet gerne seine Erfahrungen und fachlichen Kenntnisse an.

Der Kontakt lautet:

Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – (AHA)
Große Klausstraße 11

06108 Halle (Saale)

E-Mail: aha_halle@yahoo.de

Andreas Liste
Vorsitzender

Halle (Saale), den 20.02.2021