Mit großer Sorge verfolgt der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) verschiedene Vorhaben im 2.226 km² großen Mittelgebirge Harz, welche an verschiedenen Stellen den Bestand und die Entwicklung von Umwelt, Natur und Landschaft des bedeutsamen und vielseitigen Natur- und Landschaftsraum bedrohen. Dazu zählen insbesondere Pläne im Selketal zwei Hochwasserrückhaltebecken bei Straßberg und Meisdorf zu errichten, das geplante Vorhaben Steintagebau „Harzer Grauwacke Ballenstedt“, der fehlende flächendeckende nachhaltige Umgang mit den Wäldern sowie Pläne der Stadt Wernigerode Teile des ihr anvertrauten Harzraumes mit einem ganzjährigen Erlebnisbereich inklusive Skipiste zu überziehen.

Als ob derartige Überlegungen und Planungen nicht ausreichen, beabsichtigen einst ein Bündnis aus dem Betreiber der Hängebrücke „Titan RT“ an der Rappodetalsperre Harzdrenalin und Forstbetrieb Oberharz, 8.000 m² = 0,8 ha Wald zu roden, um 240 Parkplätze errichten zu können.
Nunmehr verdeutlicht das nicht erfolgte Dementi in der Antwort der Landesregierung vom 17.12.2018 auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Monika Hohmann (DIE LINKE) und Hendrik Lange (DIE LINKE) und der damit verbundenen „Vorbemerkung des Fragestellenden“, dass man nunmehr ca. 9.700 Quadratmeter = 0,9 ha Wald fällen möchte, um Medienberichten zu Folge, nunmehr 430 Parkplätze errichten zu wollen.
Für den AHA ist es schon erstaunlich, dass die Antwort der Landesregierung vom damaligen Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr stammt, welches für seine geradezu feindselige Haltung zu Belangen des Umwelt-, Natur und Landschaftsschutzes bekannt sind. Als Beispiele seien das Agieren des einst vom CDU-Mann Thomas Webel geführten Ministeriums beim Aufbau eines ganzjährigen Erlebnisbereiches inklusive Skipiste in der Stadt Wernigerode sowie das skandalöse Agieren bei der Planung der Bundesautobahn 143, Westumfahrung Halle und des Ausbaus von Elbe und Saale.
Unter Punkt 5 auf Seite 3 führt die Antwort der Landesregierung vom 17.12.2018 auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Monika Hohmann (DIE LINKE) und Hendrik Lange (DIE LINKE) aus, Zitat:
5. In welchem Rahmen wurde das Umweltgutachten in Auftraggegeben und wann ist mit abschließenden Ergebnissen zu rechnen?
Folgende Untersuchungen wurden durchgeführt:
Erfassung geschützter Arten (Flora) im Frühjahrsaspekt, Erfassung von Habitatbäumen und anderen Lebensstätten im gesamten Geltungsbereich, Erfassung von Brutvogelarten unter besonderer Berücksichtigung von Arten der Wälder und Waldränder, Weitere Berücksichtigung von Wanderfalke und Schwarzstorch , sowieZug- und Wasservögeln (Literatur), Erfassung von Amphibien- und Fledermausarten sowie des Vorkommens der Spanischen Flagge (Euplagia quadripunctaria) im Vorhabengebiet, Durchführung einer Eingangsbeurteilung der SPA-Verträglichkeit im Bereich des Gebietes DE 4233-303 „Nordöstlicher Unterharz“,
Umweltbericht mit integrierter Berücksichtigung der naturschutzfachlichen Eingriffsregelung der in §1 Abs. 6 Nr. 7 Baugesetzbuch (BauGB) aufgelisteten Umweltbelangen und der in §2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) genannten Schutzgüter.
Die abschließenden Ergebnisse werden im Rahmen der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung gemäß §§3 Abs. 2 und 4 Abs. 2 BauGB im Zusammenhang mit dem Umweltbericht vorgelegt.“, Zitat Ende
Insofern sind die Ausführungen unter Punkt 6 zur „Braunfleckige Beißschrecke“ (Tessellana tessellata) und unter Punkt 7 zur Frage „In näherer Umgebung befindet sich ein Vogelschutzgebiet und ein Trinkwasserschutz- und Einzugsgebiet. In welcher Verhältnismäßigkeit steht eine Flächenversiegelung für rund 240 Parkplätze zu den ausgewiesenen Schutzgebieten?“ in keiner Weise nachvollziehbar. Zum Einen liegen nach eigenen Angaben der Landesregierung Sachsen-Anhalts noch immer keiner abschließenden Ergebnisse zu den selbst aufgeführten Erfassungen und Untersuchungen vor und zum Anderen bezweifelt der AHA die fachliche Kompetenz der Gemeinde Oberharz am Brocken fachlich fundierte Aussagen, Einschätzungen und Schlussfolgerungen zum westlichen Ausläufer des 30 km langen EU-Vogelschutzgebietes „Nordöstlicher Unterharz“ (SPA 0019 LSA, DE 4232 401) und Wasserschutzgebiet Rappbode-Talsperre treffen zu können.
Der laxe Umgang mit den Schutzgebieten passt zu den mehr oder minder vorgetragenen Forderungen der eher rechtskonservativen CDU in Sachsen-Anhalt entgegen jeglicher naturschutzfachlichen Vernunft und gegen geltendes EU-Recht den Natura 2000-Prozess zu verzögern bzw. gar zum Erliegen zu bringen. Dieses unverantwortliche Verhalten der Partei von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff ist nicht akzeptabel und zeigt auch Wirkung im konkreten Umgang mit den Vorhaben an der Rappbodetalsperre.
Für den AHA ist es weiterhin unverantwortlich und skandalös, dass ein öffentlicher Waldbesitzer Sachsen-Anhalts so leichtfertig Wald opfert, um weitere Flächen neu versiegeln zu lassen und den Anstieg des Autoverkehrs im Bereich des Trinkwasserspeichers zu befördern. Schon alleine die Genehmigung des Vorhabens des rein auf privaten Gewinn des Unternehmens Harzdrenalin ausgerichtet ist, erscheint schon an sich nicht nachvollziehbar. Offenbar haben die verantwortlichen Behörden mit gönnerhafter Großzügigkeit ein unnötiges Tourismusprojekt genehmigt, welches entweder ein zu erwartendes vermehrtes Autoaufkommen nicht berücksichtigt hat oder nach nicht unüblicher Salamitaktik von Behörden im Harz, eine spätere Abholzung von nunmehr ca. 9.700 Quadratmeter = 0,9 ha Wald bewusst mit einkalkuliert hat, um einen zusätzlichen Parkplatz errichten zu lassen.
Ferner beabsichtigt man im Rahmen von diversen Bebauungsplänen weitere Gebäude wie ein zusätzliches Restaurant zu errichten. Damit eng verbunden plant man auch baulich interessante Flächen aus dem Landschaftsschutzgebiet auszugliedern. Dabei ist auch der Schutzstatus für diese Flächen weiterhin zu rechtfertigen. Daher befürchtet der AHA eine unzulässige Vermischung baulicher Interessen mit Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes.
Der AHA sieht hier einen eklatanten Verstoß gegen einfachste Grundsätze des Schutzes von Umwelt, Natur und Landschaft, indem man Lebens- und Rückzugsräume für Tier- und Pflanzenarten, sauerstoffproduzierende und kohlendioxidspeichernde Bäume für weiteren Beton und Asphalt sowie Produzenten von Lärm, Abgasen und Feinstaub opfert. Neben europäischen Richtlinien nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinien und der Wasserrahmenrichtlinie, scheinen zudem die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung in Sachsen-Anhalt, Deutschlands Verpflichtungen aus dem Klimaschutzabkommen wenig bzw. gar nicht zu interessieren. In dem Zusammenhang sieht der AHA mit großer Sorge, dass die angedachten Maßnahmen auch zur Beeinträchtigung der Trinkwasserqualität in der Rappbodetalsperre führen und somit ggf. eine Bedrohung der Trinkwasserversorgung im mitteldeutschen Raum besteht. Damit eng verbunden haben Hitze und Trockenheit insbesondere in den Jahren 2018 bis 2022 zu umfassenden Stresssituationen in Natur, Landschaft sowie Umwelt und somit auch im Wasserhaushalt geführt. Eine Entwicklung, welche nicht nur beschränkt auf die Jahre 2018 – 2022 zu sehen sind und ebenfalls zum Umdenken im Umgang mit Umwelt, Natur und Umwelt führen müssen.
Ein derartiges Vorhaben bringt ferner klar zum Ausdruck, dass man für rückwärtsgewandten Tourismus- und Bauvorhaben im Interesse privaten Profites, weiterhin rücksichtslos Teile von Umwelt, Landschaft und Natur zu vernichten gedenkt. Ferner scheinen öffentliche, steuerfinanzierte öffentliche Einrichtungen ohne Rücksicht auf Verluste öffentliches Eigentum derartig misszuverwalten. Nach Auffassung des AHA gilt es daher seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft und des Landesrechnungshofes Sachsen-Anhalts die strafrechtliche Relevanz sowie die Vergeudung von öffentlichen Mitteln und Eigentum zu prüfen.
Gleiches gilt für das skandalöse Verhalten des Landes Sachsen-Anhalt, des Landkreises Harz und der Stadt Wernigerode im Umgang mit den Wäldern im Oberharz. Nicht genug, dass diese sehr bedeutsamen Landschafts- und Naturbestandteile massiven Stress durch Hitze und Trockenheit sowie der damit verbundenen Waldbrände ausgesetzt sind, haben diese drei Akteure unter großer Druckausübung gemeinsam mit dem Land Niedersachsen auf die Nationalparkverwaltung Harz begonnen massiv Trockenholz aus den Waldgebieten zu räumen. Als Begründung soll die Brandbeschleunigungsfunktion dieses Holzes herhalten. Dabei gilt es andere Maßnahmen zum Brandschutz in und an den Wäldern umzusetzen, wozu während hoher Waldbrandgefahrstufen der Stopp der Fahrten von Dampflokomotiven der Harzer Schmalspurbahnen sowie des Betretens und Befahrens mit Kraftfahrzeugen aller Art gehören muss. Bereits die widersprüchlichen Angaben zur Brandfläche, welche man zuerst mit 160,00 ha bezifferte und nun mittlerweile mit 12,00 bis 16,00 ha angibt, zeugt davon, dass man kein klares Konzept im Umgang mit den Wäldern, ihrer Entwicklung und ihren Schutz hat.
Zu einem ordnungsgemäßen Umgang und Schutz der Wälder und seiner Bestandteile – wie zum Beispiel Trockenholz – gehört, zu begreifen, dass er ein sehr wichtiger Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten ist, als Sauerstoff- und Frischluftproduzent und Kohlendioxidspeicher dient. Um eine dafür erforderliche Arten- und Strukturvielfalt zu ermöglichen gilt es die sukzessive Verjüngung zuzulassen und dazu u.a. Trockenholz in allen Größen und Umfang in den Wäldern zu belassen. Dieses Trockenholz dient als Lebensraum und Deckung für zahlreiche Tierarten wie zum Beispiel Wildkatze, Baummarder, Insekten, Spinnen und Pilzen. Ferner befördern sie die Sukzession., indem sie als Ruheplatz und Versteck für Tiere fungiert und somit Saatgut vor Ort belässt bzw. heranträgt. Gleiches gilt für Wind. Zudem verhindert Trockenholz – besonders in Hanglagen – jegliche Form von Erosion. Angesichts der Zunahme von Stürmen und plötzlichen Starkniederschlägen eine sehr wichtige Eigenschaft.
Alles Fakten, welche dem Land Sachsen-Anhalt, dem Landkreis Harz und der Stadt Wernigerode schon seit Langem bekannt sein muss.
Es zeugt von fehlendem Verständnis für einen ernsthaften sowie wissenschaftlich fundierten Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutz, wenn man derartig rabiat in Wälder eingreift und mit schwerer, bodenverdichtender und Jungwuchs zerstörender Technik Waldbestandteile entfernen möchte bzw. entfernt.
Es ist skandalös, dass sich am 02.11.2022 der Naturschutzbund Deutschland (NABU), Landesverband Sachsen-Anhalt gezwungen sehen musste, einen Antrag beim Verwaltungsgericht Magdeburg zu stellen, um die Entnahme des „Totholzes“ und die Baumfällungen zu stoppen. Der nunmehrig vom Verwaltungsgericht Magdeburg verfügte vorläufige Stopp dieser zerstörerischen Arbeiten ist ein sehr wichtiger Schritt, um im Zuge des Hauptsacheverfahrens das Rechtsschutzbedürfnis nicht durch Schaffung vollendeter Tatsachen zu beseitigen. Auf jeden Fall begrüßt und unterstützt der AHA diesen Schritt, welcher bei fachlich und rechtlich korrektem Handeln der Verantwortlichen in Politik und Verwaltungen nicht notwendig wäre.
Die ersten Reaktionen aus Politik und Verwaltungen zeugen von fehlendem Verständnis im Umgang mit gerichtlichen Entscheidungen, wenn es ihnen nicht in ihr unökologisches Denken und Handeln passt. Daher fordert der AHA die Verantwortlichen in Politik und Verwaltungen auf, diese vorläufige Entscheidung zu respektieren und zu beachten sowie die Gelegenheit zu nutzen in einen breiten gesellschaftlichen Dialog mit der Bevölkerung und ihren Vereinen und Initiativen sowie mit Wissenschaft, Lehre und Forschung zu treten, um nachhaltige und akzeptable Lösungen zu finden.
Darüber hinaus fordert der AHA den Landtag Sachsen-Anhalts und die schwarz-rot-gelbe Landesregierung auf, unverzüglich wissenschaftlich und fachlich fundiert mit dem Harz als besonderen Natur- und Landschaftsraum umzugehen und dazu alle skandalösen Raubbauvorhaben endlich und endgültig zu stoppen.
Der AHA regt erneut und mit Nachdruck die Erstellung einer länderübergreifenden Schutz- und Entwicklungskonzeption, in welcher ein entsprechende Tourismuskonzeption einzubetten ist, zwischen den Ländern Sachsen-Anhalt und Niedersachsen sowie dem Freistaat Thüringen an, welches den Schutz, den Erhalt und die darauf beruhende Entwicklung des Harzes und des Harzvorlandes berücksichtigt sowie zudem den Besucherinnen und Besuchern in vielfältiger Form ökologische, geologische, archäologische und historische Aspekte nahebringt. Nur ein Tourismus, welcher sich den Belangen des Schutzes von Umwelt, Natur, Landschaft und Klima unterordnet, kann den Harz als Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, als hydrologische Quelle für zahlreiche Fließgewässer sowie damit eng verbunden als Ort der Erholung und des Tourismus in der Naturschatzkammer bewahren.
Auf jeden Fall ist der ehrenamtliche und gemeinnützige AHA bereit daran mitzuwirken sowie Interessenten zu gewinnen, welche sich für den Schutz, Erhalt und Entwicklung des Landschafts- und Naturraumes Harz einsetzen möchten.
Der AHA ist unter folgender zentralen Anschrift zu erreichen:

Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – AHA

Große Klausstraße 11

06108 Halle (Saale)

E-Mail: aha_halle@yahoo.de

Andreas Liste
Vorsitzender

Halle (Saale), den 28.11.2022